Tagesschläfrigkeit und Fahrverhalten

Mathis, Johannes; Schreier, David (2014). Tagesschläfrigkeit und Fahrverhalten. Therapeutische Umschau, 71(11), 679 -686. Huber 10.1024/0040-5930/a000610

[img] Text
MathisSchreier2014_TherUmschau.pdf - Published Version
Restricted to registered users only
Available under License Publisher holds Copyright.

Download (1MB) | Request a copy

In industrialisierten Gesellschaften klagen 10–15 % der Bevölkerung über Tagesschläfrigkeit. Neben der Schichtarbeit und der weit verbreiteten, sozial bedingten Schlafinsuffizienz, dürfte auch die zunehmende Zahl von Schlaf-Wachstörungen dazu beitragen. Die Folgen der Schläfrigkeit am Steuer sind Unaufmerksamkeit, „Tunnelblick“ und verlängerte Reaktionszeit. Die Unfälle beim Sekundenschlaf ereignen sich oft bei unverminderter Geschwindigkeit, was zu besonders schweren, und besonders oft zu tödlichen Unfällen führt. In der Schweiz werden zwar gemäß den offiziellen Statistiken lediglich ca. 1.5 % der Verkehrsunfälle durch Einschlafen am Steuer verursacht, was im Vergleich zu einem 10–30 % Anteil in der Fachliteratur massiv unterschätzt erscheint. Die Diskrepanz in den offiziellen statistischen Erhebungen entsteht wohl u. a. dadurch, dass Schläfrigkeit schwer zu erfassen ist. Die Unterschätzung des wahren Problems ist deswegen relevant, weil Gegenmaßnahmen im Straßenbau und die Abklärungen bei fehlbaren Fahrzeuglenkern immer noch zu wenig konsequent verfolgt werden. Zu den Risikofaktoren für schläfrigkeitsbedingte Verkehrsunfälle gehören junges Alter, geringe Fahrerfahrung, männliches Geschlecht, Risikoverhalten, Nachtfahrten, monotone Strecken, lange Fahrdauer, das sozial oder beruflich bedingte Schlafmanko, aber auch Schlaf-Wach-Krankheiten und sedierende Medikamente. Die Risikofaktoren und auch die typischen Merkmale von schläfrigkeitsbedingten Unfällen sind relativ gut bekannt, so dass prophylaktische Gegenmaßnahmen und gezielte Abklärungen von fehlbaren Lenkern möglich wären. Weil jeder Betroffene die Zeichen der Schläfrigkeit rechtzeitig, d. h. vor dem Auftreten eines Sekundenschlafes am Steuer erkennen kann, kommt der Aufklärung aller Verkehrsteilnehmer – und somit auch der Patienten – über das individuelle Risiko und über wirksame Gegenmaßnahmen wie anhalten, Kaffeetrinken und Turboschlaf einschalten, eine ganz besondere Bedeutung zu. Dieses Aufklärungsgespräch soll in der Krankengeschichte unbedingt bei der ersten Konsultation dokumentiert werden, was besonders wichtig ist bei der Verordnung von sedierenden Medikamenten. Bei allen Berufsfahrern mit Tagesschläfrigkeit und bei allen Fahrzeuglenkern, welche bereits einen Unfall erlitten haben, empfehlen wir eine Zuweisung an ein Zentrum für Schlafmedizin, um die Tagesschläfrigkeit zu objektivieren und damit die Compliance des Patienten zu verbessern. Bei uneinsichtigen Patienten hat der Arzt in der Schweiz das Recht, aber nicht die Pflicht, Anzeige bei den Behörden zu erstatten.

Item Type:

Journal Article (Review Article)

Division/Institute:

04 Faculty of Medicine > Department of Head Organs and Neurology (DKNS) > Clinic of Neurology

UniBE Contributor:

Mathis, Johannes, Schreier, David Raphael

Subjects:

600 Technology > 610 Medicine & health

ISSN:

0040-5930

Publisher:

Huber

Language:

German

Submitter:

Valentina Rossetti

Date Deposited:

16 Mar 2015 11:43

Last Modified:

02 Mar 2023 23:26

Publisher DOI:

10.1024/0040-5930/a000610

BORIS DOI:

10.7892/boris.64643

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/64643

Actions (login required)

Edit item Edit item
Provide Feedback