Unterschiede im emotionalen Belastungserleben und im Unterrichtsverhalten als ein Resultat problematischer LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehungen? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung mit österreichischen Gymnasiallehrkräften

Katstaller, Michaela; Hagenauer, Gerda; Hascher, Tina (4 March 2014). Unterschiede im emotionalen Belastungserleben und im Unterrichtsverhalten als ein Resultat problematischer LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehungen? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung mit österreichischen Gymnasiallehrkräften (Unpublished). In: 2. Fachtagung der Gesellschaft für Empirische↲ Bildungsforschung (GEBF) - "Die Perspektiven verbinden". Frankfurt am Main, Deutschland. 03.03.-05.03.2014.

Während die Forschungstradition zu Zufriedenheit, Stresserleben und Burn-Out im Lehrberuf eine relativ lange Geschichte aufweist, rücken Emotionen von Lehrkräften erst seit einigen Jahren – ausgelöst unter anderem durch den im Jahre 1998 veröffentlichten Artikel von Andy Hargreaves „The emotional practice of teaching“ – zunehmend in das Blickfeld des wissenschaftlichen Forschungsinteresses (z.B. Demetriou & Winterbottom, 2009; Hargreaves, 2000; Sutton, Mudrey-Camino, & Knight, 2009; Riley, 2011; im Überblick Krapp & Hascher, 2011 sowie Schutz & Zembylas, 2009). Studien zu Emotionen von Lehrkräften sind insofern als relevant einzustufen, da sie zum einen das Verhalten von Lehrkräften und somit die Qualität von Unterricht und Bildungsprozessen steuern; zum anderen beeinflussen sie die Lehrperson als Individuum, z. B. deren Wohlbefinden und stellen daher auch einen wesentlichen Prädiktor der LehrerInnengesundheit dar.
Die Quellen des Emotionserlebens von Lehrkräften sind vielfältig. Am häufigsten werden LehrerInnenemotionen jedoch von den Schülern und Schülerinnen, also durch LehrerInnen-SchülerInnen-Interaktionen, ausgelöst. Aus der Stressforschung ist bekannt, dass die Hauptursache von Lehrpersonenstress im undisziplinierten SchülerInnenverhalten liegt (Abel & Sewell, 1999). Zudem konnte Ingersoll (2001) belegen, dass Disziplinprobleme ein wesentlicher Prädiktor für den Berufsausstieg von Lehrpersonen sind. Undiszipliniertes SchülerInnenverhalten kann wiederum als eine Störung in der LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung betrachtet werden. Geht man nun davon aus, dass jeder Mensch von einem Grundbedürfnis nach positiven zwischenmenschlichen Beziehungen geleitet ist (Baumeister & Leary, 1995), so kann vermutet werden, dass Problematiken im Aufbau von positiven Beziehungen mit unangenehmen emotionalen Konsequenzen für die Lehrperson einhergehen (Spilt et al., 2011), wodurch in Folge auch der Unterricht negativ beeinflusst wird.
Mit dieser Thematik beschäftigt sich der vorliegende Beitrag: Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Qualität der LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung (UV) das emotionale Erleben von Lehrkräften (operationalisiert durch: Freude/Angst/Ärger; IV), ihr Belastungserleben und Verhalten im Unterricht (operationalisiert durch: Belastung, Engagement hinsichtlich Unterrichtsgestaltung, SchülerInnenorientierung und Autonomiegewährung; AV) beeinflusst. Die LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung wird konzeptionell als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden, das sich durch eine affektive und eine behaviorale Komponente auszeichnet. Von einer problematischen Beziehung wird in diesem Beitrag dann gesprochen, wenn diese (1) durch eine geringe Nähe/Vertrautheit und einem hohen Konfliktpotenzial geprägt ist (= affektive Dimension), und (2) wenn sich dieses Verhältnis durch ein geringes Engagement der SchülerInnen (z.B. in Form von Mitarbeit und Aufgabenerledigung) sowie durch hohe Unterrichtsstörung auszeichnet (= behaviorale Dimension).Zur Überprüfung der Fragestellung wurde eine schriftliche Befragung gewählt, an der 132 Lehrkräfte aus elf Gymnasien aus Österreich teilnahmen (66% weiblich; durchschnittliche Berufserfahrung=20.5 Jahre). Die Lehrkräfte bezogen sich in ihrer Einschätzung auf den Unterrichtin der gymnasialen Unterstufe (= Sekundarstufe 1; Klassenstufen 5-8), und fokussierten dabei jeweils auf eine Schulklasse, da die Qualität der LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung zwischen unterschiedlichen Klassen variiert. Faktorenanalysen (explorativ / konfirmatorisch) bestätigen die mehrdimensionale Struktur des LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnisses. Reliabilitätsanalysen ergeben für alle eingesetzten Konstrukte zufriedenstellende Skalen-und Itemkennwerte.
Die genannten Beziehungen wurden mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells in Mplus überprüft. Die Ergebnisse bestätigen den vermuteten engen Zusammenhang zwischen der Qualität der LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung und den LehrerInnenemotionen. So geht beispielsweise ein hohes Konfliktpotenzial mit hohem LehrerInnenärger oder aber auch mit hoher LehrerInnenangst einher. Emotionen wiederum beeinflussen das Belastungserleben der Lehrkräfte und ihr Engagement im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung, während die Zusammenhänge zum selbstberichteten Unterrichtsverhalten in der Klasse schwächer ausfallen (z.B. im Hinblick auf das Ausmaß an gewährter Autonomie).
Aus diesen Ergebnissen kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine positive LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung als eine Ressource für positives emotionales Erleben von Lehrpersonen und auch als Grundlage für eine positive Unterrichtsgestaltung betrachtet werden kann. Kompetenz im Aufbau von positiven Beziehungen sollte daher in der LehrerInnenaus- und weiterbildung gefördert werden. Hierzu sind zum einen Fähigkeiten in der Klassenführung – als Grundlage für dieGestaltung positiver Lehrer-Schüler-Interaktionen –unabdingbar, zum anderen sollte auch die emotionale Kompetenz von Lehrkräften (z.B. der Umgang mit negativen Emotionen) gezielt geschult werden.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Speech)

Division/Institute:

07 Faculty of Human Sciences > Institute of Education > School and Teaching Research
07 Faculty of Human Sciences > Institute of Education

UniBE Contributor:

Hagenauer, Gerda, Hascher, Tina

Subjects:

300 Social sciences, sociology & anthropology > 370 Education

Language:

German

Submitter:

Selina Teuscher

Date Deposited:

28 Jul 2017 15:17

Last Modified:

05 Dec 2022 15:03

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/97374

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