Franco Regime (1970)
Diktatur
Militärprozess/ Militärgerichtsbarkeit
Baskenland
ETA
Terroristische Vereinigung
Der Burgos-Prozess
Spanien 1970
1. Prozessgeschichte
Der Burgos- oder „Basken“-Prozess von Dezember 1970 stellt in vielfacher Hinsicht eine Zäsur in der Geschichte des Franco-Regimes dar. In der nordkastilischen Stadt Burgos mussten sich sechzehn Angeklagte, darunter drei Frauen und zwei Priester, für eine Reihe von Delikten, die im spanischen Strafgesetzbuch unter den Straftatbestand „Banditentum und Terrorismus“ fallen sowie für die Ermordung des Kommissars der politischen Polizei, Melitón Manzanas González, vor einem Militärgericht verantworten. Die spanische Regierung beabsichtigte damit, die Führungsspitze der baskischen separatistischen Terrororganisation ETA (Abkürzung für Euskadi ta Askatasuna, dt. „Baskenland und Freiheit“) auf einen Schlag zu beseitigen und gleichzeitig den Tod des hochrangigen Polizisten zu rächen. Der Prozess stieß international auf großes Interesse. Die Vielzahl von Angeklagten, der Rückgriff auf die Militärgerichtsbarkeit und die als drakonisch empfundenen Urteile (hohe Haftstrafen und neun Todesurteile), bewirkten eine weltweite Mobilisierung und Solidarisierung mit den Angeklagten im Speziellen und dem Baskenland im Allgemeinen (Prieto, S. 227–237). Ferner sorgte die Entführung des bundesdeutschen Honorarkonsuls, Eugen Beihl, am 1. Dezember 1970 in San Sebastián durch die ETA für zusätzliches Interesse seitens der europäischen Öffentlichkeit. Die internationale Wahrnehmung der Gerichtsverhandlung und ihre Diskreditierung als Akt politischer Justiz und Staatsräson führten zu einer entgegengesetzten Wirkung als angestrebt, sodass das Regime selbst auf der „Anklagebank“ saß (Halimi, S. 47; Zaragoza Alberich, S. 214; Casanellas, S. 88). Schließlich musste General Franco von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen und die Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umwandeln, was er in seiner Fernsehansprache zum Jahresende 1970 ankündigte.
2. Prozessbeteiligte
a) Angeklagte und ihre Verteidiger
Jesús Abrisqueta Corta (auch Josu Abrisketa Korta), Chemiker, 21 Jahre alt, vertreten durch Josep (auch José) Solé Barberà,
Itziar (auch Itciar) Aizpurua Egaña, Klavierlehrerin, 27 Jahre alt, vertreten durch Francisco Letamendia Belzunce,
Victor (auch Bittor) Arana Bilbao, Monteur, 27 Jahre alt, vertreten durch Gregorio Peces-Barba Martínez,
María Aranzazu Arruti Odriozola (auch Arantxa Arruti Odiozola), Lehrerin, 24 Jahre alt, vertreten durch Jesús María Bagues Olaizola,
Julián (auch Julen) Calzada Ugalde, Priester, 35 Jahre alt, vertreten durch Pedro Ibarra Guell,
José Antonio Carrera Aguirrebarrena (auch Antton Karrera Agirrebarrena), Dipl. Landwirt, 27 Jahre alt, vertreten durch Artemio Zarco Apaolaza,
José María (auch Unai) Dorronsoro Ceberio, Lehrer, 29 Jahre alt, vertreten durch Pedro Ruiz Balerdi,
Juana (auch Jone oder Ione) Dorronsoro Ceberio, Musiklehrerin, 31 Jahre alt, vertreten durch María Cruz (auch Gurutze) Galparsoro Ormazabal,
Juan Echave (auch Jon Etxabe) Garitacelaya, Priester, 37 Jahre alt, vertreten durch Ramón Maria Carmiña Uribe,
Joaquín (auch Jokin) Gorostidi Artola, Mechaniker, 26 Jahre alt, Ehemann von Itziar Aizpurua, vertreten durch Juan María Bandrés Molet,
Enrique V. Guesalaga Larreta, Techniker, 27 Jahre alt, vertreten durch Juan Miguel Moreno Lombardero,
Francisco Javier (auch Xabier) Izco (auch Izko) de la Iglesia, Drucker, 29 Jahre alt, Ehemann von Juana Dorronosoro, vertreten durch José Antonio Etxebarrieta (auch Echevarrieta) Ortiz,
Francisco Javier (auch Xabier) Larena Martínez, Student, 25 Jahre alt, vertreten durch Ibon de Navascues Ugarte,
Gregorio Vicente López Irasuegui, Student, 24 Jahre alt, Ehemann von María Aranzazu Arruti, vertreten durch José Luis Castro Izaguirre,
Mario Onaindia Nachiondo (auch Natxiondo), Bankangestellter, 29 Jahre alt, vertreten durch Miguel Castells Arteche (auch Artetxe), und
Eduardo Uriarte Romero, Student, 25 Jahre alt, vertreten durch Elías Ruiz Ceberio (Egaña, S. 116–119).
Die meisten Angeklagten gehörten der ETA an. Die Lehrerin María Aranzazu Arruti war bereits zuvor von einem Gericht für öffentliche Ordnung verurteilt worden. Xabier Izko de la Iglesia und Gregorio Vicente López Irasuegui waren am 5. Januar 1969 verhaftet worden, als sie versuchten, dessen Ehefrau, María Aranzazu, aus dem Gefängnis von Pamplona zu befreien. Der Chemiker Jesús Abrisqueta war der jüngste Angeklagte. Er war am 9. April 1969 in Bilbao zusammen mit Victor Arana und Mario Onaindia verhaftet worden. In seiner Aussage bekannte er sich zum revolutionären Kampf. Innerhalb der ETA war er für die Propaganda und die Rekrutierung neuer Militanten zuständig. Die Klavierlehrerin Iciar Aizpurua, Ehefrau von Gorostidi, war für die Übermittlung von Päckchen zuständig. Aizpurua bestritt, der ETA anzugehören, bekundete allerdings ihre Sympathie für die Organisation. Victor Arana übernahm nach der Verhaftung von José María Dorronsoro die politische Verantwortung in unterschiedlichen Ortschaften des Baskenlandes. Neben Druck und Verbreitung illegaler Propaganda ließ er eine Bombe am Sockel eines Regimedenkmals explodieren. Der Priester Calzada Ugalde war bereits im Juli 1969 wegen Rebellion verurteilt worden, weil er sich aus Protest gegen das Schweigen des Bischofs von Bilbao an der Besetzung des Bischofssitzes beteiligt hatte. In Burgos warf man ihm vor, ETA-Angehörige beherbergt zu haben. Dem Landwirt José Antonio Carrera legte man militärische Rebellion zur Last, weil er kurz vor seiner Verhaftung am 6. März 1969 zwei ETA-Mitglieder in seinem Auto gefahren hatte. Er selbst war kein ETA-Mitglied. Jose María Dorronsoro hingegen zählte zu den Hauptfiguren des Prozesses. Bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war er drei Jahre lang im Untergrund seinen ETA-Aktivitäten nachgegangen. Eduardo Uriarte Romero hatte das Wirtschaftsstudium aufgegeben, um den revolutionären Kampf aufzunehmen. Gregorio Vicente Irasuegui war bereits zuvor wegen Rebellion und Angriff auf die Polizei verurteilt worden. Im Prozess bekannte er sich zur ETA und als selbsternannter „Kriegsgefangener“ verweigerte er weitere Aussagen. Ähnlich verhielt sich Enrique Guesalaga Larreta. Izko de la Iglesia wurde der Haupttäterschaft bei der Ermordung Manzanas’ bezichtigt. Er war bereits am 31. Januar 1969 in einem summarischen Militärverfahren zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Xabier Larena Martínez war 1967 zum permanenten ETA-Mitglied gewählt worden und hatte Aufgaben im Bereich Information und Propaganda übernommen. Jone Dorronsoro, Schwester des José María Dorronsoro und Izkos Ehefrau, war ebenfalls für Propaganda zuständig. Zusammen mit Guesalaga, Echave und Uriarte wurde sie am 11. April 1969 von der Guardia Civil verhaftet. Joaquín Gorostidi Artola, ein weiteres ETA-Mitglied, war u.a. mit der Ausbildung von Militanten und der Abfassung von Flugblättern beauftragt worden. Der zweite Priester, Juan Echave, war der ETA beigetreten und hielt Militanz mit dem Evangelium für vereinbar. Mario Onainda wurde vorgeworfen, der Versammlung beigewohnt zu haben, bei der die Ermordung des Polizeiinspektors entschieden wurde.
b) Richter
Kavallerie-Oberst Manuel Ordovás González, Präsident des Tribunals,
Infanterie-Hauptmann Ángel Calderón López, Beisitzer,
Kavallerie-Hauptmann Félix Álvarez Lázaro, Beisitzer,
Artillerie-Hauptmann Damián Bermejo Zofio, Beisitzer,
Infanterie-Hauptmann Antonio Díez Díez, Ersatzmitglied,
Artillerie-Hauptmann Julián Fernández García, Ersatzmitglied,
Hauptmann-Auditor Antonio Troncoso de Castro, Gerichtsberichterstatter und Rechtsberater des Gerichts, laut Halimi die einzige dem Gericht zugehörige Person mit juristischen Kenntnissen (Halimi, S. 4).
c) Ankläger (Staatsanwalt)
Major Carlos Granados Mezquita
Bereits zu Beginn des Bürgerkrieges im Jahre 1936 wurde die politische Repression der Militärjustiz anvertraut. Das Militärgesetzbuch (sp. Código de justicia militar) von 1890, welches bis 1945 in Kraft war, sah summarische Verfahren in zwei Fällen vor: Erstens, wenn die Angeklagten auf frischer Tat oder unmittelbar danach gefasst worden waren, oder bei Delikten, die gemäß militärischer Autorität eine summarische Handhabung erfordern, weil sie die Moral oder die Disziplin der Truppe, die Sicherheit des Waffenplatzes, der Gegenstände oder der Personen schädigen. Die Repression im franquistischen Lager stützte sich somit hauptsächlich auf letzteren Fall. Aufgrund des beschleunigten Charakters des Verfahrens, des Fehlens von Rechten und der Vorteile des Staatsanwaltes gegenüber dem Verteidiger galt das summarische Verfahren innerhalb der spanischen Gerichtspraxis als dasjenige mit den wenigsten rechtsstaatlichen Garantien (Marco, S. 198–200).
Die Änderung der politischen Lage nach 1945 und die zahlreichen Ergänzungen durch Gesetze (z.B. das Staatssicherheitsgesetz von 1941) drängten zur Verabschiedung des neuen Militärgesetzbuches vom 17. Juli 1945 (BOE-A-1945–7336). In diesem Rechtsdokument waren in den Artikeln 763 bis 807 auch Elemente der Strafprozessordnung wie Zusammensetzung, Kompetenzen und Ablauf des Consejo de guerra (wörtlich „Kriegsrat“) festgesetzt. Nach der Gerichtsverhandlung beriet das Gericht im Geheimen, wobei der Gerichtsberichterstatter den übrigen Mitgliedern seine Auslegung des Falles vortrug. Jedes Mitglied hatte eine Stimme; niemand durfte sich enthalten. Für ein Urteil bedurfte es der absoluten Mehrheit der Stimmen (Art. 788).
3. Zeitgeschichtliche Einordnung
Der Burgos-Prozess ist Teil einer Epoche starker sozialer Konflikte, die im Kontrast zum wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre und zur international weitgehend erlangten Salonfähigkeit Spaniens stehen. Studentenproteste, Straßendemonstrationen, Streiks und die Abwendung einer jüngeren Generation von Priestern vom Regime zeichnen den historischen Kontext dieser Zeit aus. Die späten sechziger sind auch die Jahre, in denen die baskische separatistische Untergrundorganisation ETA den bewaffneten Kampf gegen das Regime mittels Bombenattentaten und Raubüberfällen ansagt.
Am 7. Juni 1968 kamen der Angehörige der Guardia Civil José Pardines und der ETA-Führer Francisco Javier (auch Txabi) Etxebarrieta in zwei verschiedenen Schusswechseln ums Leben; ein weiterer ETA-Militant wurde verhaftet, vor ein Militärgericht gestellt, zunächst zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt, dann nach einer durch einen Formfehler bedingten Wiederholung des Prozesses zum Tode verurteilt, doch nachträglich begnadigt. Am 2. August desselben Jahres wurde der Kommissar der Politisch-Sozialen Brigade der Provinz Gipuzkoa, Melitón Manzanas González, ermordet, der für seine Foltermethoden und seine frühere Kollaboration mit der deutschen Geheimen Staatspolizei während des Zweiten Weltkriegs berüchtigt war (Halimi, S. 10 f.). Kurz zuvor war ein Gefangener an den Folgen der Verhörpraktiken von Manzanas González gestorben. Am 16. August antwortete das Regime auf die Ermordung Manzanas‘ mit der Wiederinkraftsetzung des seit 1963 suspendierten „Gesetzes zur Unterdrückung von Banditentum und Terrorismus“. Diese Delikte oblagen fortan der Militärgerichtsbarkeit (Gesetzes-Dekret 9/1968, BOE-A-1968–1016; Jáuregui, S. 247). Zeitgleich wurde in Gipuzkoa für die Dauer von drei Monaten der Ausnahmezustand ausgerufen, der eine Welle von Verhaftungen, Verhören und Militärprozessen nach sich ziehen sollte. Die Tötung des Taxifahrers Fermín Monasterio am 9. April 1969 durch einen flüchtigen ETA-Militanten spitzte die Situation weiter zu (Casanellas, S. 49).
Der Exempel-Charakter des summarischen Prozesses 31/69, der in Burgos abgehalten wurde, dem Hauptquartier der VI. Militärregion, zu dem das Baskenland gehörte, zeigt sich auch an den Umständen und dem Zeitpunkt der Verhaftung der Angeklagten (November 1968 bis Juni 1969) sowie in der Tatsache, dass sich einige von ihnen bereits zuvor für ihre ETA-Aktivitäten vor einem Gericht hatten verantworten müssen (Casanellas, S. 80 f.).
Der Rückgriff auf die Militärjustiz in Form des Consejo de guerra unterstreicht die repressive Haltung und stellt eine Regression in der spanischen Justizpraxis dar, war doch im Dezember 1963 das zivile Tribunal für öffentliche Ordnung (sp. Tribunal de orden público – TOP) als Sondergericht ins Leben gerufen worden, um die Armee von dieser politischen Aufgabe zu entlasten. Hinzu kam der „summarische“ Aspekt als Behinderung der Verteidigung, der generell wenig Zeit zugestanden wurde, um die Anklageschrift durchzuarbeiten, sich mit den Mandanten auszutauschen und eine Verteidigungsstrategie zu planen (Beck, S. 252 f.).
Die Organisation, gegen die die spanische Regierung vorging, war elf Jahre zuvor ins Leben gerufen worden. Im Juli 1959 hatte eine Gruppe junger baskischer Nationalisten aus dem Mittelstand die baskische nationalistische Organisation ETA gegründet. Zunächst durch illegale Propaganda, bloßen Vandalismus, dann durch gezielte Sabotageaktionen suchten sie die Provokation des Regimes, welches als Besatzungsmacht betrachtet wurde. Bei der ersten ETA-Versammlung von 1962 wurden die Hauptziele, namentlich die Unabhängigkeit eines vereinigten Baskenlandes, bestehend aus der gleichnamigen spanischen Region, Navarra und dem französischen Baskenland, das Bekenntnis zu einer revolutionären Bewegung und zu einem konfessionslosen neuen Staat mit repräsentativer Demokratie und dem Baskischen als Amtssprache, festgelegt (Jáuregui, S. 206–209). In den darauffolgenden Versammlungen prägte sich das Profil der Organisation weiter aus, die sich als linke Bewegung im Zeichen des Sozialismus mit Zugriff auf den bewaffneten Kampf definierte. Eine erste Spaltung wurde 1965 zwischen den Vertretern eines genuin auf das Baskenland zentrierten Kampfes und Verfechtern der Solidarität mit der spanischen Arbeiterklasse absehbar. Zu ersten konkreten Abspaltungen kam es 1966 und 1967. Übrig blieb eine ETA, die sich zum kolonialen Befreiungskampf bekannte und sich Guerrillapraktiken bediente. Im August 1970 verschärften sich die Differenzen zwischen den Anhängern des Terrors als führendes Prinzip und jenen, die diesen dem politischen Kampf unterordnen wollten. Zu einer weiteren Abspaltung kam es aufgrund des vom radikal-militanten Flügel der ETA angeordneten und verübten Attentates auf den spanischen Ministerpräsidenten, Admiral Luis Carrero Blanco, am 20. Dezember 1973. Das Regime antwortete unter anderem mit der Hinrichtung des jungen katalanischen Anarchisten Salvador Puig Antich am 2. März 1974, dem man die Tötung eines Polizisten zur Last gelegt hatte, obschon keine Verbindung zwischen der ETA und dem Angeklagten bestand und obgleich keine belastbaren Beweise geliefert wurden (Prieto, S. 261–280). Im selben Jahr begann die Organisation, wahllos Attentate an öffentlichen Orten zu verüben, die zweistellige Opferzahlen forderten (Duplá Ansuategui, S. 108–110). Die Welle von Attentaten in den letzten Jahren der Diktatur zwang die Regierung, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Das Antiterrorgesetz vom 27. August 1975 erlaubte die Aburteilung von elf Angeklagten der ETA und der marxistisch-leninistischen FRAP. Sechs von ihnen wurden begnadigt, während am 27. September die letzten Todesstrafen in Madrid, Burgos und Barcelona vollstreckt wurden. Der Beginn der Demokratisierung nach dem Tode des Diktators traf auf eine janusköpfige ETA, bestehend aus der sogenannten ETA militar (ETA‑m) und der ETA político-militar (ETA-pm). Während ETA‑m die junge Demokratie als eine Weiterführung der Diktatur betrachtete und den bewaffneten Kampf intensivierte, profitierte ETA-pm von der Amnestie und der Möglichkeit, sich der Legalität anzunähern, bis sie schließlich zum Teil in die Sozialistische Partei des Baskenlandes einging. Das Ende der Diktatur war aber auch von rechtsradikalem Terror geprägt. Seit dem Wahlsieg der Sozialisten bis 1986 griff der Staat durch die Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL) auf vergleichbare Terrorpraktiken gegen die ETA zurück (Domínguez Iribarren, S. 273–328).
4. Anklage und Urteil
Am 27. Dezember 1970 verkündete das Gericht die Urteile, wobei die Angeklagten von gewissen Anklagepunkten freigesprochen wurden.
a) Angeklagt des Mordes, des Banditentums und des Terrorismus:
José María Dorronsoro Ceberio, zusätzlich der militärischen Rebellion angeklagt, wurde einmal zum Tode verurteilt.
Eduardo Uriarte Romero, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes sowie des Widerstands gegen die Streitkraft und des bewaffneten Raubes angeklagt, wurde zwei Mal zum Tode und zu dreißig Jahren Haft verurteilt.
Joaquín Gorostidi Artola, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes angeklagt, wurde zwei Mal zum Tode und zu dreißig Jahren Haft verurteilt.
Francisco Javier Izco de la Iglesia, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes, allerdings nicht des Terrorismus angeklagt, dafür zusätzlich der Hehlerei, des bewaffneten Raubes, des Diebstahls mit Einbruch, der Motorfahrzeugersetzung und der Ersetzung von Autokennzeichen, wurde zwei Mal zum Tode, zu siebenundzwanzig Jahren, sechs Monaten und einem Tag Haft, zuzüglich Schmerzensgeld verurteilt.
Francisco Javier Larena Martínez, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes angeklagt, wurde zum Tode und zu dreißig Jahren Haft verurteilt.
Mario Onaindia Nachiondo, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes, zusätzlich der militärischen Rebellion, des Widerstands und des Angriffs gegen die Staatsgewalt angeklagt, wurde zum Tode und zu einundfünfzig Jahren Haft verurteilt.
b) Übrige Angeklagte
Jesús Abrisqueta Corta, speziell des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes sowie des Terrorismus, des bewaffneten Raubes, des Widerstands und des Angriffs gegen die Amtsgewalt angeklagt, wurde zu zweiundsechzig Jahren und einem Tag Haft verurteilt.
Itziar Aizpurua Egaña, der Rebellion angeklagt, wurde zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt.
Victor Arana Bilbao, des Terrorismus, des illegalen Waffenbesitzes, der militärischen Rebellion, des Widerstandes und des Angriffs gegen die Staatsgewalt angeklagt, wurde zu sechzig Jahren Haft verurteilt.
María Aranzazu Arruti Odriozola, des Totschlags angeklagt, wurde freigesprochen.
Julián Calzada Ugalde, der militärischen Rebellion angeklagt, wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
José Antonio Carrera Aguirrebarrena, der militärischen Rebellion, wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
Juana Dorronsoro Ceberio, des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes sowie des Terrorismus und des Widerstands gegen die Streitkraft angeklagt, wurde zu fünfzig Jahren Haft verurteilt.
Juan Echave Garitacelaya, des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes sowie des Terrorismus und des Widerstands gegen die Streitkraft angeklagt, wurde zu fünfzig Jahren Haft verurteilt.
Enrique V. Guesalaga Larreta, des Banditentums mit dem Ziel des Umsturzes sowie des Terrorismus und des Widerstands gegen die Streitkraft angeklagt, wurde zu fünfzig Jahren Haft verurteilt.
Gregorio Vicente López Irasuegui, der militärischen Rebellion und der Beihilfe zum Banditentum angeklagt, wurde zu dreißig Jahren Haft verurteilt (Halimi, S. 130–139).
Begriffliches:
Das Militärgesetzbuch von 1945 übernahm den Straftatbestand der militärischen Rebellion (sp. rebelión militar) und passte ihn dem neuen innenpolitischen Kontext an. Paradoxerweise gerade vom franquistischen, d.h. dem eigentlichen rebellischen Lager, war dieser Straftatbestand einer der bereits im Bürgerkrieg und danach zwecks Aburteilung von Republikanern am häufigsten angewandten (Marco, S. 205; Cancio Meliá, S. 83). In der neuen Fassung wurde dieser als „bewaffnete Rebellion gegen den Staatschef, seine Regierung oder die grundlegenden Institutionen der Nation“ definiert, wobei fünf Unterkategorien unterschieden wurden (Art. 286):
1) Wenn die Anführer oder ihre Anhänger Angehörige der Streitkräfte sind,
2) wenn die Angeklagten eine militärisch organisierte Gruppe aus mindestens zehn Personen bilden,
3) wenn sie zahlenmäßig zwar geringer als zehn Personen sind, aber im Territorium weitere Gruppen bestehen, die dasselbe beabsichtigen,
4) wenn sie die Streitkräfte angreifen, oder
5) wenn sie als solche in Sondergesetzen oder in den Erlassen der militärischen Behörden deklariert werden.
Im Jahre 1947 als Antwort auf die Widerstandsaktivitäten der spanischen antifaschistischen Guerrillagruppen, genannt Maquis, welche nach dem Zweiten Weltkrieg über die Pyrenäengrenze nach Spanien zogen und vornehmlich in ländlichen Regionen aktiv waren, erließ das Regime das „Gesetz zur Unterdrückung von Banditentum und Terrorismus“ (Gesetzes-Dekret vom 18. April 1947, BOE-A-1947–4518). Diese beiden Begriffe wurden also bewusst als Kampfmittel in einer höchst politisierten Strafverfolgungspraxis eingesetzt (Cancio Meliá, S. 83).
Der erste Artikel sah vor, Praktiken wie Attentate auf die öffentliche Sicherheit, die Einschüchterung der Einwohner einer Ortschaft, Rache- und Vergeltungsakte mit politischem oder sozialem Charakter, Störung der Ordnung, der Ruhe oder der Verwaltungsbehörden mittels Explosionen, Überschwemmungen, Entgleisungen, Einstürze usw. mit dem Tode oder lebenslanger Haft zu bestrafen. Ebenso wichtig war der Straftatbestand des Banditentums, dem insbesondere der fünfte Artikel Rechnung trug. Sowohl Gruppen, die außerhalb der sozialen Gemeinschaft lebten, als auch jene, die sich „heimtückisch“ in urbanen Zentren aufhielten, sollten bestraft werden, wenn sie bewaffnet Plünderungen, Raubüberfälle oder Subversion begingen. Für deren Anführer sah das Gesetz die Todesstrafe vor.
Das Dekret vom 21. September 1960 (BOE-A-1960–13701) vollzog eine Straffung der Gesetzgebung über Rebellion (Art. 2), Terrorismus (Art. 3) und Banditentum (Art. 4 bis 6) und bestätigte die militärische Jurisdiktion als richterliche Instanz. Mit der Gründung am 2. Dezember 1963 des TOP wurde der obige Rebellionsartikel außer Kraft gesetzt, doch im August 1968 wieder aktiviert.
Auch das ordentliche Strafgesetzbuch von 1963 nahm „Rebellion“ und „Terrorismus“ unter dem Titel „Verbrechen gegen die innere Sicherheit des Staates“ auf. Die Definition von Rebellion wich deutlich von derjenigen von 1945 ab. Im Artikel 214 beschränkt sich Rebellion u.a. auf die Absetzung oder Nötigung des Staatschefs, die Verhinderung von Wahlen, die Auflösung oder die Behinderung des Parlaments (Cortes) und der Minister sowie die Aufhebung des Gehorsams gegenüber der Regierung seitens der Nation (oder deren Teile) oder durch die Truppen. Die Ausführungen zu Terrorismus (Art. 260) decken sich hingegen im Großen und Ganzen mit dem Gesetz von 1947 bzw. 1960.
Die Artikel 308 bis 312 des Militärgesetzbuches verstanden „Widerstand gegen die Streitkraft“ als tätliche Misshandlung oder wörtliche Beschimpfung eines Angehörigen der Streitkräfte, zu denen auch das Gendarmerie-Korps der Guardia Civil gehörte, sowie Einschüchterung mit Waffen oder die Auflehnung gegen Anweisungen des Militärs.
5. Verteidigung
Die Gerichtsverhandlung dauerte vom 3. bis zum 9. Dezember 1970. Die Verteidigung setzte sich zusammen aus regime-oppositionellen Juristen unterschiedlicher Gesinnung (Sozialisten, Marxisten, baskische Linksnationalisten, Christdemokraten) (Castro, S. 62– 64). Besonders in Erscheinung traten die Rechtsanwälte Juan María Bandrés, Gregorio Peces-Barba, Josep Solé Barberà und José Antonio Etxebarrieta. Bandrés setzte sich später als Politiker für den Frieden im Baskenland ein. Peces-Barba saß später für die Sozialistische Partei im Parlament und wurde einer der sieben geistigen „Väter“ der spanischen Verfassung von 1978. Solé Barberà war der älteste Rechtsanwalt. Kurz nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges wurde er aufgrund des „Gesetzes über politische Verantwortung“ für seine Militanz in der Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens (PSUC) zunächst zum Tode verurteilt, später allerdings begnadigt. Im Oktober 1973 wurde er als Mitglied der regime-oppositionellen Organisation Assemblea de Catalunya zusammen mit mehr als hundert weiteren Militanten verhaftet und für rund einen Monat eingesperrt (Mayayo i Artal, S. 229 ff.). Etxebarrieta war Bruder des im Juni 1968 verstorbenen ETA-Führer Txabi. Er starb wenige Jahre nach dem Prozess.
Zu Beginn des Prozesses bestand unter den sechzehn Rechtsanwälten keine einhellige Meinung über die Verteidigungsstrategie (Castro, S. 64 f.). Während die einen eine traditionelle Verteidigung zwecks Unschuldsbeweises ihrer Mandanten anstrebten, andere in gewissen Fällen sogar eine Bitte um Nachsicht erwogen, fand sich letztlich ein Konsens zugunsten einer totalen Infragestellung der Legitimität des Gerichts. Die Verteidigung im weitesten Sinne bestand nicht bloß aus der Performance im Gerichtssaal, sondern schloss auch regelmäßige Pressekonferenzen mit spanischen und ausländischen Journalisten im Anschluss an jeden Verhandlungstag sowie die Zusammenarbeit mit oppositionellen Kreisen im In- und Ausland ein (Halimi, S. 17; Castro, S. 65).
Sämtliche Einwände der Verteidigung zuhanden des Militärstaatsanwaltes wurden kurz vor Beginn der Verhandlung abgelehnt (Halimi, S. 8). Ferner beruhte die Beweislage der Anklage einzig auf Geständnissen, die durch Folter erzwungen worden waren. Die Verteidiger erlaubten sich im Zeichen einer offenen Provokation Seitenhiebe gegen das Militär in der Absicht, die Verhandlung als Justizfarce zu demaskieren. Moreno Lombardero unterbrach die Verlesung der Anklageschrift und machte den Gerichtspräsidenten auf das Fehlen des Ordonnanzsäbels beim Staatsanwalt aufmerksam, der deswegen ermahnt wurde. Ein anderes Mal machte Ruiz Ceberio den Gerichtspräsidenten auf die falsche Lage des Kruzifixes auf dem Gerichtstisch aufmerksam.
Am zweiten Verhandlungstag versuchte die Verteidigung den Gerichtspräsidenten auf die externen Umstände (Streiks im Baskenland, Entführung des deutschen Konsuls) aufmerksam zu machen, welche eine normale Fortführung der Verhandlung verhinderten. Indessen entzog Ordovás den Anwälten das Wort, die erneut die Verlesung der Anklageschrift zu verhindern suchten. Wiederholt bemängelte die Verteidigung den parteiischen Tonfall dieses Dokuments. Ordovás drohte mit Artikel 315 des Militärgesetzbuches, wonach wegen Missachtung der Autorität des Militärrichters bis zu sechs Jahre Haft verhängt werden konnten.
Um Solidarisierung mit den Angeklagten zu verhindern, verhängte die Regierung erneut am 4. Dezember den Ausnahmezustand in der baskischen Provinz Gipuzkoa, der die Verfassungsartikel 14 (freie Wahl des Wohnsitzes), 15 (Hausdurchsuchungsverbot), 16 (Versammlungsrecht) und 18 (Habeas corpus) suspendierte (Gesetzes-Dekret 14/1970, BOE-A-1970–1318). Bandrés versuchte vergeblich, den Vorsitzenden des Militärgerichts davon zu überzeugen, dass diese Umstände die Unabhängigkeit und Objektivität des Tribunals verletzen und die Arbeit der Verteidigung beeinträchtigten.
Im Zusammenhang mit der Ermordung Manzanas‘ stellte Rechtsanwalt Etxebarrieta die schriftliche Aussage der Zeuginnen (Witwe und Tochter des Ermordeten) in Frage und bemängelte das Fehlen des Verhörprotokolls seines Mandanten Izco de la Iglesia, der Täterschaft und Besitz der Tatwaffe bestritt.
In der Sitzung des 5. Dezembers wurden erstmals Vorwürfe der Folter des Priesters Jon Etxabe geltend gemacht. Ferner stellte die Rechtsanwältin Galparsoro die Legitimität des summarischen Verfahrens in Abrede. Außerdem bezweifelte sie, mittels der Gutachten zweier anerkannter Sachverständiger, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Gesetzes zur Unterdrückung von Banditentum und Terrorismus gegeben waren.
Die Verlesung einer undatierten Niederschrift durch den Rechtsberater des Gerichts in der Verhandlung vom 6. Dezember (Sonntag) sorgte für Empörung seitens der Verteidigung, die erneut vom Gerichtspräsidenten ermahnt wurde. Peces-Barba ersuchte um Unterbrechung der Verhandlung, was das Gericht ablehnte. Unter den gegebenen Umständen war die Verteidigung stark beschränkt.
In der gerichtlichen Vernehmung des Angeklagten Abrisqueta Korta wurde die Folter erneut angesprochen. Dank der Fragetechnik seines Verteidigers Solé Barberà erhielt er jedoch die Möglichkeit, sich zu seinen Zielen zu bekennen. Es folgte eine minutiöse Beschreibung der Foltermethoden durch den Angeklagten. Sein Verteidiger forderte daraufhin die Ungültigkeitserklärung aller Verhörprotokolle, die unter Anwendung von Folter zustande gekommen waren. In einer weiteren Aussage wurde ersichtlich, dass die Verhaftung von Arana, Onaindia und Abrisqueta unrechtmäßig gewesen war, da die Polizisten weder einen Haft- noch einen Durchsuchungsbefehl hatten. Der Richter unterbrach den Antrag mit der Begründung, der Angeklagte sei nicht berechtigt, über die Handlungsweise der Polizei zu urteilen. Nach der Aussage der Angeklagten Aizpurua drohte der Gerichtspräsident, die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortzuführen; Fragen der Verteidigung dürften nur noch gestellt werden, wenn sie als sachdienlich erachtet würden. Dennoch gelang es der Verteidigung, dass die Aussagen der einzelnen Angeklagten über die ethischen und politischen Gründe, der ETA beizutreten, nicht abgelehnt werden durften. Ab 8. Dezember wurden Fragen entweder als nicht sachdienlich untersagt oder die Angeklagten wurden bei der Beantwortung vom Richter unterbrochen. Am letzten Tag ereignete sich eine dramatische Szene: Als die Angeklagten das baskisches Kampflied anstimmten, zog einer der Ersatzrichter und mit ihm der Gerichtsberichterstatter den Säbel, während einer der Polizisten die Pistole auf die Verteidigung richtete. Der Gerichtspräsident ließ daraufhin den Saal räumen. Während die Angeklagten weggeführt wurden, entbanden sie die Anwälte von ihrer Verteidigung. Indessen bestand das Gericht darauf, dass die Anwälte die Verhandlung fortführten, obschon sie keine Mandate und die Angeklagten keine Verteidiger mehr hatten (Halimi, S. 6–67).
Nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch außerhalb wurden die Verteidiger starkem Druck ausgesetzt, wie etwa Morddrohungen durch rechtsradikale Gruppierungen, z.B. die Guerrilleros de Cristo Rey, zeigen (Halimi, S. 24; Castro, S. 67).
6. Wirkung und Wirkungsgeschichte
Der Burgos-Prozess, der darauf abzielte, die baskische Untergrundorganisation zu zerstören, bewirkte das Gegenteil. Die durch die zahlreichen Verhaftungen geschwächte ETA bekam durch die Stilisierung und Heroisierung der Angeklagten in den Medien Zuspruch und Zufluss von neuen Militanten aus baskischen Jugend- und Arbeiterkreisen (Tusell, S. 491; Casanellas, S. 91–94). Aus innen- und außenpolitischer Sicht bedeutete der Prozess für das Regime eine erhebliche Niederlage. Die zahlreichen Appelle führender Persönlichkeiten, u.a. von Papst Paul VI., aber auch des Bischofs von San Sebastián, der von der Spanischen Bischofskonferenz unterstützt wurde, zeigten die Grenzen der Loyalität der Kirche gegenüber der Diktatur (Zaragoza Alberich, S. 211–213). Das Ereignis spaltete die Regierung zwischen Technokraten, die eine Liberalisierung des Regimes anstrebten, und dem sogenannten „Bunker“, dem rechten Flügel, der noch an den faschistischen Idealen des Bürgerkrieges festhielt. Auch einzelne Armeegeneräle kritisierten die Rolle der Militärgerichtsbarkeit als Zweckentfremdung der Aufgaben der Streitkräfte (Beck, S. 253 f.; Zaragoza Alberich, S. 211). In seiner Sitzung vom 30. Dezember entschied schließlich der Ministerrat einhellig, dem Caudillo die Begnadigung der zum Tode Verurteilten zu unterbreiten. In seiner Fernsehansprache rechtfertigte General Franco diesen Akt mit dem Zuspruch und der Loyalität, welche das spanische Volk ihm und seiner Regierung geboten hätten und kaschierte so die schwere Demütigung.
7. Würdigung
Der Burgos-Prozess steht für das Fortbestehen des Bürgerkriegsdenkens und der Legitimierung der Diktatur im Geiste des 18. Juli 1936 (Beginn des spanischen Bürgerkriegs), die seit der Öffnung und Liberalisierung des Regimes in den 1950er Jahren durch Wohlstand und Fortschritt ersetzt worden war. Es überrascht deshalb kaum, dass das Regime auch später von der Militärgerichtsbarkeit Gebrauch machte, nicht aber von der Begnadigung, wie die Prozesse gegen Salvador Puig Antich (1974) und gegen die ETA- und FRAP-Militanten von 1975 zeigen sollten. Der Burgos-Prozess blieb lange Zeit im kollektiven Gedächtnis des Baskenlandes und der ETA als Ausgangspunkt für die Erneuerung des Kampfes gegen den spanischen Staat. Eine erste Verarbeitung fand im gleichnamigen Dokumentarfilm von Imanol Uribe aus dem Jahre 1979 statt, in dem die Verurteilten, die dank der Amnestie von 1977 wieder frei waren, über ihre Erfahrungen berichteten. Im Jahre 2001 verlieh der konservative Ministerpräsident José María Aznar posthum Melitón Manzanas den königlichen Orden für die Anerkennung als Opfer von Terrorismus.
8. Literatur (Auswahl)
Raimund Beck, Das spanische Regierungssystem unter Franco, 1979; 251 ff.; Manuel Cancio Meliá, Strafrecht und Terrorismus in Spanien. Anmerkungen zur Entwicklung der Terrorismusgesetzgebung nach der Diktatur, S. 83–98, in: Muñoz Conde/Vormbaum (Hrsg.), Transformation von Diktaturen in Demokratien und Aufarbeitung der Vergangenheit, 2010; Pau Casanellas, Morir matando. El franquismo ante la práctica armada, 1968–1977, 2014, S. 42 ff.; Raimundo Castro, Juan María Bandrés: Memorias para la paz, 1998; Iñaki Egaña, Diccionario histórico-político de Euskal Herria, 1996; Florencio Domínguez Iribarren, El enfrentamiento de ETA con la democracia, S. 273–435, in: Elorza (Hrsg.), La historia de ETA, 2000; Antonio Duplá Ansuategui, Violencia política en Euskadi: entre el tiranicidio y el olvido de las víctimas, S. 107–124, in: Eser/Peters (Hrsg.), El atentado contra Carrero Blanco como lugar de (no-)memoria, 2016; Gurutz Jáuregui, ETA: orígenes y evolución ideológica y política, S. 173–209, in: Elorza (Hrsg.), La historia de ETA, 2000; Gisèle Halimi, Le procès de Burgos. Préface de Jean-Paul Sartre, 1971; Jorge Marco, “Debemos condenar y condenamos”… Justicia militar y represión en España (1936–1948), S. 190–229, in: Julio Aróstegui (Hrsg.), Franco: la represión como sistema, 2012; Andreu Mayayo i Artal, Josep Solé Barberà, advocat. La veu del PSUC, 2007, S. 211 ff.; Moisés Prieto, Zwischen Apologie und Ablehnung. Schweizer Spanien-Wahrnehmung vom späten Franco-Regime bis zur Demokratisierung (1969–1982), 2015, S. 227 ff., Javier Tusell, Los grandes procesos penales de la época de Franco. Desde la posguerra a Grimau y el proceso de Burgos, S. 485–493, in: Muñoz Machado (Hrsg.), Los grandes procesos de la historia de España, 2002; Andrés Zaragoza Alberich, Aproximación al Proceso de Burgos a partir del Archivo de la Presidencia del Gobierno, S. 205–215, in: Tusell/Sueiro/Marín/Casanova (Hrsg.), El régimen de Franco (1936–1975). Política y Relaciones exteriores, Bd. II, 1993.
Moisés Prieto Dezember 2017
Moisés Prieto ist assoziierter Forscher am Historischen Institut der Universität Bern. Forschungsschwerpunkte sind die Diktatur im 19. und 20. Jahrhundert, die Migrations- und die Mediengeschichte sowie die Geschichte der Emotionen. Er ist Autor von «Zwischen Apologie und Ablehnung. Schweizer Spanien-Wahrnehmung vom späten Franco-Regime bis zur Demokratisierung (1969–1982)» (Böhlau 2015) und publiziert in diversen Zeitschriften. 2016 bis 2018 Forschungsstipendiat der Stiftung Alexander von Humboldt.
Zitierempfehlung:
Prieto, Moisés: Der Burgos-Prozess, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, http://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/burgos-prozess-1970/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ.