Langfristige Auswirkungen menschlicher Eingriffe in alpine Vegetation - Erhebungen, Aufbau einer Datenbank, erste Auswertungen zur Versuchsweide von W. Lüdi auf der Schynigen Platte (1930-1990)

Dähler, Werner (1993). Langfristige Auswirkungen menschlicher Eingriffe in alpine Vegetation - Erhebungen, Aufbau einer Datenbank, erste Auswertungen zur Versuchsweide von W. Lüdi auf der Schynigen Platte (1930-1990). (Dissertation, Systematisch-Geobotanisches Institut der Universität Bern, Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät)

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In den Jahren 1930 bis 1934 legte Dr. Werner lüdi auf der Schynigen Platte bei lnterlaken, auf 1930 m.ü.M, eine Versuchsweide an. Diese bestand aus 340 Flächen von 1 Meter Seitenlänge, auf denen Düngungsversuche durchgeführt wurden. Als Dünger gelangten N, P, K, Ca und verschiedene Kombinationen davon zur Anwendung. Ausserdem wurden die Flächen unterschiedlich behandelt (Rasen entfernen, Hacken, Abbrennen, Entfernen der Magerkeitszeiger, Ansäen, etc.). Die Versuche sollten zeigen, ob und unter welchen Bedingungen die übernutzte Borstgrasweide in einen guten Futterrasen umgewandelt werden konnte. Die Versuche dauerten bis 1956, dann wurde die Anlage zum grösseren Teil aufgegeben und wieder beweidet. Ein kleinerer Teil blieb bis 1970 eingezäunt. 1981 wurde die gesamte Anlage auf Veranlassung von Herrn Prof. 0. Hegg wiederum eingezäunt und seither mindestens alle zwei Jahre gemäht.
in der ehemaligen Versuchsweide konnten die folgenden Arbeiten durchgeführt werden:
- Die 340 Dauerversuchsflächen wurden vollständig rekonstruiert, neu permanent, aber unsichtbar markiert und eingemessen.
- In den Jahren 1989 und 1990 wurden nach denselben Methoden, wie sie Lüdi benutzt hat, neue Daten erhoben. Von jeder Fläche wurde eine Vegetationsaufnahme erstellt, mit Angaben zur Dominanz, Abundanz und Vitalität aller Gefässpflanzenarten.
- Weitere Erhebungen in ausgewählten Flächen betrafen die Biomasse und im Herbst den pH-Wert des Bodens. Zur Bestimmung der wichtigsten Nährelemente wurden von ausgewählten Arten aus einigen Flächen Blattproben gesammelt.
- Zur Verwaltung der bis jetzt erhobenen Vegetationsdaten wurde eine EDV-gestützte Datenbank entwickelt, welche auch Bedürfnissen wesensverwandter Datenstrukturen (allgemeine Vegetationsaufnahmen) entgegenkommt. Diese Datenbank wurde über Schnittstellen gebräuchlichen graphischen, statistischen und tabellarischen Auswertungen zugänglich gemacht. Bis jetzt liegen aus der Versuchsweide 1713 Vegetationsaufnahmen vor, welche vollständig erfasst, und damit der Auswertung zugänglich sind.
Erste Resultate
Die Experimente zur Ansamung vegetationsloser Flächen mit Stallmist zeigen, dass insbesondere die Leguminosen Trifolium repens, T. pratense, T. badium, Lotus comiculatus und Anthyllis vulneraria durch diese Art der Düngung in Weideflächen hineingebracht werden können. Insgesamt ist die Artenzahl in den mit Mist gedüngten Flächen 2 bis 3 mal so gross wie in den mit Volldünger behandelten Vergleichsflächen.
Ein erster Vergleich von geschnittenen und nicht geschnittenen Flächen zeigt, dass neben Festuca rubra insbesondere die Zwergstraucharten Calluna vulgaris, Polygala chamaebuxus und Vaccinium myrtillus negativ auf diesen Eingriff reagieren. "Gefördert" werden vor allem Krautarten, was auf die veränderten Konkurrenzverhältnisse zurückzuführen ist.
Es fällt vor allem auf, dass in Flächen, in denen der Rasen entfernt und der Boden gehackt worden war unabhängig von der Düngung noch heute durchwegs höhere pH-Werte gemessen werden können, und dass die Vegetation wesentlich artenreicher 1st als im gedüngten natürlichen Rasen.
Der pH-Wert des Bodens liegt noch heute in Flächen, welche unter anderem mit Kalk gedüngt worden sind, deutlich (0.5 bis 1 pH-Einheiten) über dem Wert der anders gedüngten Flächen.
Die Zeigerwerte aller vorliegenden Aufnahmen zeigen eine bemerkenswerte Korrelation zwischen dem R- und dem N-Wert (Bodenreaktion und verfügbare Nährstoffe), was für das Gebiet charakteristisch erscheint (Aufkalken setzt im Humus gebundene Nährelemente frei). Eine multiple lineare Regression wies insbesondere die als Düngung gegebenen Elemente Ca und P als für die mittleren R- und N-Zeigerwerte verantwortlich aus.
Die Biomassebestimmungen von Ernten zeigen, dass noch heute - 60 Jahre nach der ersten und 35 nach der letzten Düngung - die anfangs mit Stallmist und mit Thomasmehl gedüngten Flächen die höchsten Erträge liefern, während die überhaupt nicht gedüngten Vergleichsflächen die tiefsten Werte aufweisen.
Die "guten Futtergräser" Festuca rubra s.l. und Phleum alpinum s.l. reagieren durchwegs positiv auf Düngung allgemein, sei es im natürlichen Rasen, sei es in Flächen, in welchen der Rasen entfernt und neu angesät worden war. Bei Düngung mit verschiedenen Kombinationen von N, P, und K kommen sie sehr rasch mit grosser Dominanz auf, gehen aber wieder zurück, wenn die Düngung aufhört. Bei Düngung mit Stallmist oder Thomasmehl ist die Wirkung etwas weniger ausgeprägt, dafür umso nachhaltiger. Die Dominanz von Festuca wird durch schneiden herabgesetzt, wodurch eine ganze Reihe lichtbedürftiger Kräuter aufkommen können.
Ebenfalls positiv auf die verschiedenen Düngungen reagieren die Leguminosen Lotus corniculatus s.l., Trifolium badium und T. pratense s.l. Sie werden zu den guten Futterpflanzen gerechnet und weisen pflanzensoziologisch auf die Mitlchkrautweide (Crepidi-Festucetum rubrae) hin. Sie gehören alle zu der Gruppe von Arten, deren Ansamung nackter Flächen durch Stallmist stark gefördert wird. Auch das Schneiden des Rasens kann diese Arten - zumindest indirekt - fördern.
Die säureliebenden Arten Nardus stricta, Arnica montana und Geum montanum charakterisieren die Borstgrasweide (Sieversii-Nardetum). Sie gelten als Weide-"Unkräuter" und werden allgemein durch Düngung reduziert. langfristig können sie sich in den meisten Flächen wieder mehr (Nardus, Geum) oder weniger (Arnica) stark etablieren. Dies deutet darauf hin, dass sich das Nardetum nach sehr langer Zeit (über 50 Jahre) wieder einstellen kann. Diese Arten werden durch Schneiden gefördert.
Die Zwergsträucher des Nardetums, Calluna vulgaris und Vaccinium myrtillus, welche ausgesprochen säureliebend sind, werden durch nahezu alle Düngungen zurückgedrängt, die nachhaltigste Wirkung erzielt man bei Calluna mit Kalkdüngung. Auch mit Schneiden kann man diese weidewirtschaftlich nicht nutzbaren (=Unkräuter) loswerden.
Weitere Fragen, welche jetzt aufgrund der aufgebauten Datenbank und der vorgeschlagenen Auswertungsszenarien angegangen werden können:
- "Interpretieren der Vermagerung (Zunahme von Magerkeitszeiger nach Lüdi)
- Einfluss des Abbrennens
- Einfluss des Jätens (Entfernen der Magerkeitszeiger)
- Einfluss der erhöhten Bodenazidität
Die Versuche von Lüdi sind in ihrem Ausmass einzigartig. Die Fragen nach Verbesserungsmöglichkeiten von Alpweiden in Bezug auf alpwirtschaftliche Nutzung konnten ausreichend beantwortet werden. Für neue, feinere Fragestellungen nach den Wechselwirkungen einzelner Systemkomponenten (Einfluss einzelner Faktoren, Konkurrenz, etc.), müssten aber noch mehr und noch feinere Daten erhoben werden. Die Abfolge der Vegetationsanalysen (alle 5 bis 7 Jahre) ist zu grobmaschig, als dass Fluktuationen (Jahresklima, Nährstoffeintrag aus der Luft) als solche sicher zu erkennen wären.
Ausserdem müssten Daten zu Vegetationsstruktur, Produktivität, und Bodenchemismus quantitativ besser erhoben werden, um Konkurrenzphänomene (Licht, Nährstoffe, Wasser) besser zu ergründen. Aus diesen Gründen muss die Versuchsweide unbedingt erhalten bleiben. Von einer erneuten Beweidung sollte abgesehen werden, da die einzelnen die einzelnen Flächen ungleichmässig, und vor allem unkontrolliert beeinflusst würden. Statt dessen sollte sie eingezäunt und mindestens alle zwei Jahre gemäht werden.

Item Type:

Thesis (Dissertation)

Division/Institute:

08 Faculty of Science > Department of Biology > Institute of Plant Sciences (IPS)
08 Faculty of Science > Department of Biology > Institute of Plant Sciences (IPS) > Vegetation Science [discontinued]

Subjects:

500 Science > 570 Life sciences; biology

Language:

German

Submitter:

Peter Alfred von Ballmoos-Haas

Date Deposited:

13 Sep 2021 14:28

Last Modified:

13 Sep 2021 14:28

BORIS DOI:

10.48350/158415

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/158415

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