Der Konjunktiv II in schweizerdeutschen Dialekten: Eine Auswertung von Dialektgrammatiken

Pheiff, Jeffrey Alan (7 September 2022). Der Konjunktiv II in schweizerdeutschen Dialekten: Eine Auswertung von Dialektgrammatiken (Unpublished). In: 20. Alemann:innentagung. Dialekt in Gesellschaft und Schule. Chur. 07.–09.09.2022.

Im Standarddeutschen dienen Präteritumformen als Ableitungsbasis für Konjunktiv II-Formen (z.B. Präteritum: ich ließ, Konjunktiv II: ich ließe). In den hier interessierenden alemannischen Dialekten sind die Präteritumformen allerdings geschwunden (vgl. Fischer 2018). Daher wird erwartet, dass ein Schwund synthetisch gebildeter Konjunktiv II-Formen mit dem Abbau der Präteritumformen einhergeht. Tatsächlich lebt aber eine Vielzahl und Vielfalt synthetischer Konjunktiv II-Formen in den alemannischen Dialekten der Schweiz fort (Christen 1999, Nübling 1997, SDS, Wilde 2015). Ziel ist es, die dialektgrammatische Literatur auf das Vorkommen von Konjunktiv II-Formen auszuwerten (s. Fischer 2019). Als Korpusgrundlage dienen die 12 eine Formenlehre enthaltenden Dialektgrammatiken der Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“. In dieser Studie geht es um eine Bestandsaufnahme der belegten Formvariation um die Jahrhundertwende, dabei wird folgenden empirischen Fragen nachgegangen:

1. Für welche Verben lässt sich eine starke Konjunktiv II-Bildung konstatieren?
2. Welche Dialekt(gebiet)e weisen die meisten Lexeme mit Konjunktiv II-Formen auf?
3. Welche Ablautreihen sind (nicht mehr) vertreten?
4. Welche Vokalalternanzen liegen für welche Ablautreihen vor?
5. Welche Suffixe sind bei sog. „Mischformen“ sowie bei den Modalverben typisch?

Die Auswertung zeigt Folgendes: Insgesamt konnten 405 Belege (inkl. Nebenbelegen) für stark gebildete Konjunktiv II-Formen ermittelt werden, die 123 verschiedene Verblexeme repräsentieren. Dabei werden 61 Verben in mindestens zwei Grammatiken belegt. Starke Bildungen sind für acht Verblexeme – i.d.R. tokenfrequente Auxiliar- und Kurzverben – in mindestens zehn Grammatiken belegt: lassen (12), kommen (12), geben (11), nehmen (11), fangen (10), sterben (10), gehen (10) und werden (10). Die Anzahl belegter Verblexeme pro Grammatik schwankt dabei zwischen 79 und 7. In arealer Hinsicht scheinen die Grammatiken in der Peripherie des Sprachraums die wenigsten starken Konjunktiv II-Bildungen aufzuweisen. Wenn Ablautreihen nicht belegt sind, dann handelt es sich i.d.R. um die Ablautreihen I und II, dagegen sind die Ablautreihen IV, VII und – von jeweils einer Ausnahme abgesehen – V und VI – in allen Dialektgrammatiken belegt. Insgesamt lassen sich 26 Vokale feststellen, die sich auf die Ablautreihen verschiedentlich verteilen, auch wenn diese gehäuft bei bestimmten Reihen auftreten (vgl. Christen 1999). Insgesamt waren die Mischformen tendenziell marginal belegt (n=20/405). Dazu trat am ehesten das Suffix {ti}, auch bei den Modalverben (vgl. Nübling 1997, Wilde 2015).

Bibliographie

Christen, Helen (1999): Wo chiemte mer hi: Überleben eines sprachhistorischen Fossils. In: Wolfgang Schindler & Jürgen Untermann (eds.): Grippe, Kamm und Eulenspiegel. Festschrift für Elmar Seebold zum 65. Geburtstag. Berlin / New York: Walter de Gruyter, 55–75.

Fischer, Hanna (2018): Präteritumschwund im Deutschen. Dokumentation und Erklärung eines Verdrängungsprozesses. Berlin / Boston: Walter de Gruyter. (Studia Linguistica Germanica 132).

Fischer, Hanna (2019): Dialektgrammatiken als Datenquelle? Zum Wert der dialektgrammatischen Literatur für dialektvergleichende Studien. In: Mechthild Habermann, Sebastian Kürschner & Peter O. Müller (eds.): Dialektale Daten: Erhebung – Aufbereitung – Auswertung. Hildesheim, Zürich & New York: Olms, 309–333. (Germanistische Linguistik. 241–243).

Nübling, Damaris (1997): Der alemannische Konjunktiv-II zwischen Morphologie und Syntax. Zur Neuordnung des Konjunktivsystems nach dem Präteritumschwund. In: Arno Ruoff & Peter Löffelad (eds.): Syntax und Stilistik der Alltagssprache. Beiträge der 12. Arbeitstagung zur alemannischen Dialektologie. 25. bis 29. September 1996 in Ellwangen / Jagst. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 107–121. (Idiomatica. 18).

SDS = Hotzenköcherle, Rudolf / Heinrich Baumgartner (eds.) (1962–1997): Sprachatlas der deutschen Schweiz. Bern: Francke Verlag.

Wilde, Michael (2015): Der Konjunktiv im Schweizerdeutschen. Empirische Studien zur Stabilität und Wandel im deutschen Modussystem. Bern et al.: Peter Lang.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Poster)

Division/Institute:

06 Faculty of Humanities > Department of Linguistics and Literary Studies > Institute of Germanic Languages

UniBE Contributor:

Pheiff, Jeffrey Alan

Subjects:

400 Language > 410 Linguistics
400 Language > 430 German & related languages

Language:

German

Submitter:

Jeffrey Alan Pheiff

Date Deposited:

16 Sep 2022 11:49

Last Modified:

05 Dec 2022 16:24

Uncontrolled Keywords:

Konjunktiv II, Dialekte, Schweizerdeutsch, Dialektmorphologie, Sprachvariation und -wandel

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/172833

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