Der literarische Troll
Spekulationen zum Verständnis einer Funktion als Figur
(Essay, Beta)
6 Schlüsse
Wodurch sich Mensch und Troll unterscheiden, das ist vielleicht in der Erzählkultur des Sichtbaren noch auszumachen. Verschrobene Wesen in Wäldern oder Gebirgen, die den Menschen nicht immer hold sind, können schon aufgrund ihrer Äusserlichkeiten, der starken Abweichung in Wuchs, Wohlgeformtheit oder was konventionellerweise als Schönheit empfunden wird, ausgemacht werden. Stets allerdings von solchen, die sich besser, schöner, schlauer dünken.
In der Anonymität der Netzkultur, die den Troll als Bild und Begriff eines diskursiven Anderen adoptiert hat, ist diese Unterscheidung nicht immer eine eindeutige, und die Verhandlung, wer oder was Troll(text) ist, kann selten von vorneherein in ein klares Verdikt münden. Ein Trolltext, der die Gewohnheiten des Dialogisierens und Diskurses unterläuft, kann jeder Text sein, der gerade meinem Verständnis eines pragmatischen und / oder ästhetischen Austauschs zuwiderläuft.
Umgekehrt kann es ein Text sein, der offensichtlich als Funktion innerhalb eines grossen Textgefüges figuriert und dieses auf der virtuellen Skala ästhetischer Werkwirklichkeit verschiebt, diese je nach dem auf der Klaviatur möglichkeitspoetischer Lektüre beeinflusst und letztendlich eine ganz andere Textrezeption befördern kann, als ursprünglich intendiert.
Dies kann auch planbar sein. Exemplarisch wurde der Trolltext in digitalen Mikromedien als Funktion und Figur spielerisch klassifiziert und in diesem Spiel rote Fäden ausgelegt, die mögliche Charakteristiken von Trolltexten und ihrer Figürlichkeit im Text etwas herausgeschält. Das so Freigelegte soll nicht als ein Endergebnis von Lektürepraxis solcher Texte verstanden werden, aber beispielhaft zeigen, wie solch ein Modellierungsprozess einer subjektiven Analyse von Trolltext als Funktion und Figur, den Blick auf umfangreiche, anschwellende, unabgeschlossene Textkörper mit solchen Beteiligten, weiten kann und vermitteln, dass durchaus auch Kriterien ermittelt werden könnten, solche Werke sowohl im Gesamt als auch im Prozess ihres Entstehens unter Berücksichtigung von vermeintlich unergiebigem Kontext gelesen werden können.