Arabische Debatten über Darwinismus und Materialismus um die Wende zum 20. Jahrhundert

von Kügelgen, Anke (2016). Arabische Debatten über Darwinismus und Materialismus um die Wende zum 20. Jahrhundert (Unpublished). In: Philosophie in der islamischen Welt. Philosophische Gesellschaft Zürich, Universität Zürich. 07.04.2016.

Darwins Evolutionstheorie und zunächst häufig mit ihr gleichgesetzte evolutionistisch-materialistische und sozialdarwinistische Lehren galten im letzten Viertel des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts arabischen Gelehrten und Intellektuellen als Inbegriff des europäischen modernen Denkens. Sie wurden vorwiegend als ‘Philosophie’ im Sinne einer neuen Weltdeutung verstanden, die nur teilweise wissenschaftlich-empirisch gestützt war, und lösten konfessionsübergreifend insbesondere in Beirut und Kairo heftige Kontroversen aus, in denen religiöse, wissenschaftstheoretische, biologische, anthropologische und soziale Grundsatzfragen aufgeworfen wurden. Diese Grundsatzfragen wird der Vortrag am Beispiel von vier Protagonisten der Kontroverse aufzuzeigen suchen.
Mit der Übersetzung von sechs Vorlesungen Ludwig Büchners im Jahre 1884 machte der Arzt Šiblī Šumayyil (ca. 1850-1917) erstmals eine evolutionstheoretische Schrift auf Arabisch zugänglich und leitete daraus gesellschaftstheoretische Ideen ab, die ihm den Ruf des «ersten arabischen Materialisten» und «Sozialisten» eintrugen. Darauf folgten anfänglich harsche und pauschale Zurückweisungen durch prominente Persönlichkeiten wie Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-1897). Der Glaube an die Existenz eines Schöpfergottes wurde zum Prüfstein evolutionistischen Denkens, und da Darwin diese in seinen öffentlichen Schriften nicht geleugnet hatte, wurden seine Thesen im Lichte der Offenbarung (um-)gedeutet. Besonders wirkmächtig war der Ende der 1880er Jahre unternommene Versöhnungsversuch von Ḥusain al-Ǧisr (1845-1909). Mehr oder minder losgelöst von theologischen Fragen gewannen evolutionistische Theorien neuen Impetus durch weitgehend autodidaktisch gebildete Freidenker. Unter ihnen popularisierte sie insbesondere Salāma Mūsā (1887-1958), der nach dem Muster des Fabianischen Sozialismus Auswege aus der von ihm konstatierten Misere des ägyptischen Volkes und Utopien vom Übermenschen entwarf.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Speech)

Division/Institute:

06 Faculty of Humanities > Department of Art and Cultural Studies > Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften

UniBE Contributor:

von Kügelgen, Anke

Subjects:

100 Philosophy
100 Philosophy > 180 Ancient, medieval & eastern philosophy
100 Philosophy > 190 Modern western philosophy
200 Religion > 290 Other religions
400 Language
400 Language > 490 Other languages

Language:

German

Submitter:

Anke von Kügelgen

Date Deposited:

22 Jun 2017 15:31

Last Modified:

05 Dec 2022 15:05

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/99247

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