Rohr, Christian (10 June 2021). Auf dem Weg in eine „Katastrophenverdrängungsgesellschaft“ und zurück? Formen und Konjunkturen der Erinnerungskultur(en) an Katastrophen vom 18. Jahrhundert bis heute (Unpublished). In: Catastrophes, menaces et risques naturels – Natur und Umwelt: Risiken, Gefahren und Katastrophen. Clermont-Ferrand (online via Teams). 10.-12.06.2021.
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Historischen Zeitschrift erschienenen Aufsatz „Das Erdbeben von 1348. Ein historischer Beitrag zur Katastrophenforschung“ schon früh mit der Erforschung einer historischen Naturkatastrophe. In einer eher beiläufigen Nebenbemerkung stellte er dabei die These auf, dass heutige Gesellschaften in Europa den Umgang mit Naturkatastrophen weitgehend aus ihrem Alltag gestrichen hätten und wir gleichsam zu einer „Katastrophenverdrängungsgesellschaft“ geworden seien. Dies stehe im Gegensatz zu vormodernen Gesellschaften, welchen das Risiko von Bränden, Naturkatastrophen, Witterungsanomalien, etc. weit eher in ihren Alltag integriert hätten. In der Tat lassen sich in vielen Gesellschaften, die einem immer wiederkehrenden Naturrisiko ausgesetzt sind, „cultures of disaster“ (Greg Bankoff) feststellen, seien es „Überschwemmungskulturen“ an den Flüssen Mitteleuropas und an der Nordseeküste in der Vormoderne oder „Erdbebenkulturen“ im mediterranen Raum. Zahlreiche Formen der Erinnerung waren in diesen Kulturen als eine Form „mentaler Prävention“ allgegenwärtig, von deutlich sichtbaren Hochwassermarken bis hin zu Hauschroniken über Lawinenabgänge. Mit der „Zähmung“ von Naturgefahren durch Flussbegradigungen und Schutzbauten aller Art v.a. seit dem 19. Jahrhundert wurden zwar kleinere und mittelschwere Ereignisse in der Regel vermieden, doch kamen dann schwere umso überraschender und trafen die Bevölkerung oft unvorbereitet. Ein längeres Ausbleiben von Extremereignissen, ein „disaster gap“ (Christian Pfister), konnte somit die Katastrophenhaftigkeit eines neuen Ereignisses noch deutlich erhöhen. Der Glaube, mit technischen Vorkehrungen die Naturgefahren in den Griff zu bekommen, wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts vielerorts erschüttert: Hochwasserkatastrophen wie 2002 in weiten Teilen Mitteleuropas, Lawinenereignisse wie 1999 in Galtür (Tirol) wurden teilweise zum Weckruf für einen veränderten Umgang mit den oft über Jahrzehnte verdrängten Risiken. Hinsichtlich der Erinnerungskulturen lassen sich dabei unterschiedliche Trends festmachen, die am Beispiel von Lawinen und Hochwassern näher beleuchtet werden sollen: Während etwa in Galtür in die neu gebaute Lawinenschutzmauer das „Alpinarium“, ein Kulturzentrum mit Gedenkfunktion, integriert wurde, wird andernorts diese Gefahr ausgeblendet, um touristische Großprojekte wie in Andermatt (Kanton Uri) nicht zu gefährden. Im Donauraum wurden nach 2002 an einigen betroffenen Orten sogar ganze Siedlungen verlegt, wohingegen anderswo die Erinnerung mittels Hochwassermarken offenbar bewusst nicht mehr fortgeführt wurde.
Item Type: |
Conference or Workshop Item (Speech) |
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Division/Institute: |
06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History 10 Strategic Research Centers > Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR) 06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History > Economic, Social and Environmental History |
UniBE Contributor: |
Rohr, Christian |
Subjects: |
900 History 900 History > 940 History of Europe 900 History > 970 History of North America |
Language: |
German |
Submitter: |
Christian Rohr |
Date Deposited: |
15 Jul 2021 11:02 |
Last Modified: |
05 Dec 2022 15:51 |
Uncontrolled Keywords: |
Hochwasser, Lawinen, Hurrikane, Erinnerungskulturen, Vulnerabilität |
BORIS DOI: |
10.48350/156855 |
URI: |
https://boris.unibe.ch/id/eprint/156855 |