Pinilla, Severin; Kyrou, Alexandra; Maissen, Norina; Klöppel, Stefan; Nissen, Christoph; Huwendiek, Sören (15 September 2021). Anvertrauen von klinischen Tätigkeiten in der medizinischen Ausbildung aus der Perspektive von Studierenden – eine qualitative Studie. In: GMA-Jahrestagung DocV21-02. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House 10.3205/21gma079
Fragestellung/Zielsetzung: Anvertraubare professionelle Tätigkeiten (APTs) werden aktuell in mehreren Ländern für die Entwicklung kompetenz-basierter Curricula in der medizinischen Ausbildung eingeführt [1]. Bislang liegen Studien vor allem aus Sicht der Lehrenden zum Einsatz von APTs sowohl für den Ausbildungs- als auch für den Weiterbildungsabschnitt vor. Die Perspektive der Studierenden am Anfang ihrer klinischen Ausbildung hingegen ist in diesem Zusammenhang noch nicht untersucht worden. Das Ziel dieser Studie ist es, die Erlebensweise der Studierenden in Bezug auf Anvertraubarkeitsentscheidungen zu explorieren.
Methoden: Studierende, die im Blockpraktikumsjahr 2019 einen Monat an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (UPD) Bern verbrachten, wurden über eine zielgerichtete Stichprobenbildung für diese qualitative Studie rekrutiert. Es wurden 37 semi-strukturierte Tiefeninterviews mit Blockstudierenden von Februar bis November 2019 durchgeführt und nach Transkription mittels zusammenfassender thematischer Inhaltsanalyse untersucht.
Ergebnisse: Aus den Interviews ergaben sich mehrere Hauptkategorien zu relevanten Faktoren in Bezug auf die Übernahme klinischer Tätigkeiten während des Blockpraktikums. Es wurden sowohl persönliche Faktoren (Selbstsicherheit, Selbstorganisation, Selbstregulation) als auch interpersonelle Faktoren (Beziehung zu Patient*innen, Beziehung zu Assistenzärzt*innen) und externe Faktoren (klinische Erfahrung der betreuenden Assistenzärzt*innen, Arbeitsauslastung und Haltung zur Lehre der Assistenzärzt*innen, Integration ins Stationsteam) von den Studierenden genannt, die das Anvertrauen und Übernehmen von klinischen Tätigkeiten beeinflussen. In einer Unterkategorie wurden aktives Fragen nach Tätigkeiten, der Umgang mit eigener Unsicherheit und die Fähigkeit eine therapeutische Allianz mit Patient*innen aufzubauen als Voraussetzungen für die Tätigkeitsübernahme genannt.
Diskussion: Für die Curriculumsgestaltung klinischer Praktika können die identifizierten Faktoren genutzt werden, um Studierende möglichst effizient und sicher in den klinischen Behandlungsprozess zu integrieren. Mehrere Aspekte, die sich unter der Theorie der Selbstwirksamkeit nach Bandura [2] einordnen lassen, spielen aus Sicht der Studierenden für das Übernehmen von klinischen Tätigkeiten eine Rolle.
Take Home Message: Selbstwirksamkeitserwartungen spielen aus Sicht von Studierenden eine Rolle für die Übernahme und das Anvertrauen von klinischen Tätigkeiten. Diese können möglicherweise von klinisch Lehrenden für selbst-reguliertes Lernen gestärkt werden.