Finding a Path for China's Rise - The Socialist State and the World Economy, 1970-1978

Lionnet, Philippe (2023). Finding a Path for China's Rise - The Socialist State and the World Economy, 1970-1978. (Dissertation)

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Die Bedeutung der dritten Plenarsitzung des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) 1978 im Jiangxi-Hotel in Peking, auf der Deng Xiaoping Hua Guofeng als führende Persönlichkeit der Partei ablöste, ist als zentraler Wendepunkt der chinesischen Zeitgeschichte in der Forschung weitgehend unbestritten. Sie steht in direktem Zusammenhang mit einer Reihe von wirtschaftspolitischen Reformen, von denen die kontrollierte Öffnung für ausländische Direktinvestitionen und die teilweise Abschaffung der Festpreise und Lockerung der Wirtschaftsplanung unter den wichtigsten sind. Mehrere Autoren haben anerkannt, dass in der Zeit zwischen 1949 und 1978 Strukturen geschaffen und gesellschaftliche Lernprozesse ermöglicht wurden, die den Weg für die einschneidenden Reformen der Folgezeit ebneten. Darauf aufbauend ist eine weitere Differenzierung zum Verständnis der chinesischen Wirtschaftsentwicklung notwendig und aufschlussreich.

Die Dissertation Finding a Path for China's Rise trägt zu dieser Differenzierung bei. Dies in Form einer historischen Analyse der Wirtschaftspolitik der Volksrepublik Chinas, die nach inkrementellen oder qualitativen wirtschaftspolitischen Kompromissen auf Grundlage der Grenzen des Möglichen im flexiblen ideologischen Rahmen der KPCh vor Ende des Jahres 1978 fragt. Dies vor dem Hintergrund der deutlichen Expansion des wirtschaftlichen Austausches Chinas mit nichtsozialistischen Staaten im Verlauf der 1970erjahre und damit zusammenhängend der weltwirtschaftlichen Verwerfungen der Dekade.

Hinsichtlich der Wirtschaftspolitik kann der chinesische Sozialismus als Ideologie und Methode der wirtschaftlichen Modernisierung im Sinne der Industrialisierung konzeptualisiert werden. Dieses Leitmotiv des wirtschaftlichen und damit verbunden militärischen Aufholens zu den industrialisierten Ländern bildete die Basis für die Ausbildung politischer Kompromisse. Eine verbreitete Sichtweise, welche die Entwicklung der chinesischen Wirtschaftspolitik primär durch einen angenommenen politischen Dualismus – beispielsweise zwischen einer «linken» und einer «rechten» oder einer «ideologischen» und «pragmatischen» Fraktion innerhalb der KPCh – zu verstehen sucht, greift oft zu kurz. Durch das verbindende Ziel des wirtschaftlichen und technologischen Fortschritts ergeben sich eine «Mittellinie» und Grenzen des Möglichen, welche tatsächlich formulierte und kommunizierte Politiken besser zu erklären vermögen.

Neben der Absicht, mittels einer sozialistischen Gesellschaftsorganisation einst die Voraussetzungen für den Übergang in den Kommunismus zu schaffen, war das u.a. aus der Bewegung des vierten Mai erwachsene Motiv der nationalen Eigenständigkeit tragend. Aus dieser Perspektive erscheint auch das Jahr 1978 nur bedingt als qualitative Zäsur. Vielmehr gingen entscheidende Elemente des Entwicklungsmodells der 1980erjahre auf Sachzwänge und in den Vorjahren angelegte wirtschaftspolitische Reaktionen zurück. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis der chinesischen Wirtschaft gegenüber dem Rest der Welt. Eine deutliche Ausweitung des chinesischen Aussenhandels, angeleitet durch die zentralen Güter Getreide und Erdöl, fand bereits in der ersten Hälfte der 1970erjahre statt. Diese schlug sich nicht nur in einer Expansion der Handelsvolumina, sondern auch in einem Ausbau der für diesen Austausch notwendigen physischen, diplomatischen und normativ-rechtlichen Rahmenbedingungen nieder. Die «Scharnierjahre» 1974 und 1975 – als China unmittelbar von Preisverwerfungen auf den internationalen Märkten betroffen war und den Aussenhandel angesichts eines vergleichsweise hohen Defizits ruckartig zurückfuhr – brachten lediglich einen kurzzeitigen Einbruch des Aussenhandels wie auch der grundsätzlichen Bereitschaft, trotz anderslautender politischer Beteuerungen auf verzinste Ratenzahlungen für Importe zurückzugreifen. Die Besuchsdiplomatie und Kontakte des Aussenhandelsministeriums wurden fortgesetzt und ermöglichten die Wiederaufnahme und bedeutende Vertiefung der aussenwirtschaftlichen Austausche im Verlauf der Jahre 1976 und1977.

Während die Kulturrevolution durchaus Auswirkungen auf die industrielle – weit weniger noch auf die landwirtschaftliche – Produktion hatte, war der resultierende Einbruch zeitlich und in seinem Umfang begrenzt. Bereits zu Beginn der 1970erjahre wurden Massnahmen zur Stabilisierung der Produktion ergriffen, welche insbesondere auch die Wiederherstellung von Hierarchien und der Arbeitsdisziplin umfassten. Das zentrale volkswirtschaftliche Entwicklungsparadigma, welches im Grundsatz auf der Abschöpfung der landwirtschaftlichen Mehrproduktion zur Versorgung der Industriestädte auf Grundlage des staatlichen Getreideankaufsystems basierte, war allerdings zu Beginn der 1970erjahre an seine Grenzen gelangt. Neben stagnierenden Einkommen war China mit eng begrenzten landwirtschaftlichen Erträgen bei anhaltend hohem Bevölkerungswachstum konfrontiert. Die Verfügbarkeit von vergleichsweise günstigen Importen erhöhte den Druck weiter. Lockerungen betreffend die landwirtschaftliche Produktion erst für den Eigenbedarf, später zunehmend auch für lokale Märkte wurde 1975 Verfassungsrang zugesprochen.

Um das Produktionspotential der Binnenwirtschaft zu erhöhen und so die industrielle Entwicklung voranzutreiben, setzten die KPCh, die Industriebetriebe, Kollektive und Ministerien einerseits auf inkrementelle Massnahmen wie die Verbesserung der Buchführung, produktions- und investitionsseitige Austerität und die Erhöhung der Disziplin an den Arbeitsstellen. Profite auf Betriebsebene wurden bald zu wichtigen Kennziffern in der Wirtschaftsverwaltung, um die Produktivität auszuweisen. Aufgrund der vergleichsweise dezentralen Ausgestaltung der Wirtschaftsorganisation kam der Koordination der volkswirtschaftlichen Produktion durch Modellbetriebe und Leitlinien besondere Bedeutung zu.

Andererseits wurde versucht, die Weiterentwicklung der Wirtschaft mit Innovationen innerhalb der Produktionseinheiten und der Verbesserung der Arbeitsteilung zwischen Betrieben voranzutreiben. Diese Ansätze blieben jedoch weitgehend auf die verfügbare Technologiebasis und deren Basisinnovationen beschränkt, welche weitgehend auf älteren, sowjetische Anlagen basierten. Der Kern der technologischen Verbesserung der Produktion blieb der Import von Geräten aus den nichtsozialistischen industrialisierten Ländern – erst «schlüsselfertiger» Fabriken, später zunehmend auch technologischer Grundlagen selbst. Das chinesische Aussenhandelssystem richtete sich unter Hua Guofeng insbesondere auf die Verwendung möglichst fortgeschrittener Technologie als Mittel zur Erreichung ehrgeiziger Entwicklungsziele aus. Diese Verlagerung war indes nicht ausschliesslich eine Folge politischer Entscheidungen. Die Referenzpunkte dafür, was wirtschaftliche Modernisierung als politisches Ziel in der Praxis bedeutete, hatten sich zwischen dem ersten Fünfjahresplan der 1950erjahre und der zweiten Hälfte der 1970erjahren verschoben. Nicht mehr die in der Propaganda zur Zeit der Kulturrevolution zentralen Stahlwerke standen im Zentrum, sondern zunehmend elektronische Geräte und die petrochemische Industrie.

Während die chinesische Industrie durchaus imstande war, auch hochkomplexe Produkte herzustellen, fehlten ihr indes oft die Produktionsmittel um diese in Serie herzustellen. Die Vier Modernisierungen, welchen 1975 Verfassungsrang zugesprochen wurde, definierten den Grundkonsens der industriellen Entwicklung für die nächsten Jahre. Zudem knüpften Sie an die Periode der wirtschaftlichen Stabilisierung nach dem fehlgeschlagenen Grossen Sprung nach vorn (1958-1961) an, betonten aber die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung erneut als zentrales Paradigma. Normativ-politische Ziele wurden zugleich in die fernere Zukunft verschoben, so etwa die Überführung der landwirtschaftlichen Produktion wie auch des Soziallebens in staatseigene Kommunen.

Die für diese schnelle und technologiegetriebene wirtschaftliche Modernisierung notwendigen Importe sollten mit einer Ausweitung der Erdölexporte und der Erhöhung der Wertschöpfungsintensität anderer, verarbeiteter Exportwaren finanziert werden. Dies kam in der Tendenz einer Hinwendung zur Interdependenz gleich. Während Geschäftskontakte mit Firmen intensiviert wurden, hielten auch die entscheidenden roten Linien in der Aussenwirtschaftspolitik den sich aus diesem kapitalintensiven Ansatz ergebenden Sachzwängen nicht stand. Sowohl die Möglichkeit ausländischer Direktinvestitionen, der Joint-Ventures wie auch der Einbettung der chinesischen Wirtschaft in grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten wurden bereits im Verlauf des Jahres 1978 deutlich gegenüber westlichen Geschäfts- und Handelspartnern signalisiert.

Item Type:

Thesis (Dissertation)

Division/Institute:

06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History
06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History > Modern and Contemporary History
06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History > Modern and Contemporary History > Zeitgeschichte

UniBE Contributor:

Lionnet, Philippe Kevin

Subjects:

300 Social sciences, sociology & anthropology > 320 Political science
300 Social sciences, sociology & anthropology > 330 Economics
300 Social sciences, sociology & anthropology > 380 Commerce, communications & transportation
900 History
900 History > 940 History of Europe
900 History > 950 History of Asia

ISSN:

2701-0309

ISBN:

978-3-8376-6422-5

Series:

Global and Colonial History

Publisher:

Transcript Verlag

Language:

English

Submitter:

Philippe Kevin Lionnet

Date Deposited:

02 Feb 2023 13:32

Last Modified:

02 Feb 2023 23:27

Publisher DOI:

10.14361/9783839464229

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Additional Information:

ISBN: 978-3-8376-6422-5
eISSN of series: 2702-9328
Global and Colonial History, Volume 12
transcript Verlag, Bielefeld

Uncontrolled Keywords:

China, Weltwirtschaft, Sozialismus, Wirtschaftskrise, Handelspolitik, Volksrepublik China, Sowjetunion, Ölkrise, Aussenwirtschaft, Wirtschaftsgeschichte, Globalgeschichte, Hua Guofeng

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/177996

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