Die syntaktische Intensivierung von Adjektiven in deutschen Dialekten: Eine Auswertung des Swiss SMS Corpus

Pheiff, Jeffrey Alan (10 November 2023). Die syntaktische Intensivierung von Adjektiven in deutschen Dialekten: Eine Auswertung des Swiss SMS Corpus (Unpublished). In: 10. Saarbrücker Runder Tisch für Dialektsyntax (SaRDiS). Universität des Saarlandes. 10.–11.11.2023.

Ziel dieses Beitrags ist es, die lexikalisch-syntaktische Intensivierung von Adjektiven in den Dialekten der Deutschschweiz zu untersuchen. Die Intensivierung betrifft «das semantisch-funktionale Phänomen der Gradspezifikation» (Kirchbaum 2002: 201), wobei Intensivierer Ausdrücke sind „that scale upwards on an imaginary scale of intensity such as very and terribly, and words that scale downwards, such as slightly and a bit“ (Paradis 1994: 157–158). Die Erforschung von Intensivierer-Ausdrücken gilt insofern als vielversprechend, als «[t]he most rapid and the most interesting semantic developments in linguistic change […] occur with intensifiers» (Ito & Tagliamonte 2003: 257). Die Erforschung der syntaktischen Intensivierung von Adjektiven im Deutschen, insbesondere in den Dialekten des Deutschen, gilt dabei im Gegensatz zur anglistisch orientierten Variationslinguistik (z. B. Ito & Tagliamonte 2003) als «underexplored» (Stratton 2020: 183, s. aber Christen 2003).

Dieser Beitrag geht dieser Forschungslücke nach. Untersucht werden die Dialekte der Deutschschweiz anhand des 288.434 Tokens zählenden Teilkorpus des Swiss SMS Corpus (Stark, Ueberwasser & Ruef 2009–2015), eines an der Universität Zürich entstandenen multilingualen Korpus, dessen Datengrundlage SMS-Nachrichten bilden. Ausgewertet werden alle prädikativ, adverbial und attributiv verwendeten Adjektive im Korpus (POS: ADJD = 13.332 Tokens, POS: ADJA = 7.337 Tokens). Folgenden Fragestellungen wird im Beitrag nachgegangen:

– Welche Intensivierer-Ausdrücke kommen im Schweizerdeutschen vor? Welche Unterschiede zeigen sich zur Standardsprache (Stratton 2020)?
– Wie sind Intensivierer-Ausdrücke in Bezug auf ihre Häufigkeit im Schweizerdeutschen verteilt?
– Welche Faktoren (z. B. syntaktische Funktion, semantische Klassifizierung des modifzierten Adjektivs, Geschlecht, Alter) steuern die beobachtbare Variation?

Erste Ergebnisse zeigen, dass 19,7% aller Adjektive im Korpus intensiviert werden. Der Anteil an intensivierten Adjektiven fällt damit geringer aus als im Standarddeutschen (37% nach Stratton 2020). Der Anteil an Amplifier-Ausdrücken fällt dabei höher aus im Vergleich zu den Downtoner-Ausdrücken (83,6% vs. 16,4%). Ferner konnten bislang 53 verschiedene Intensivierer-Ausdrücke festgestellt werden. Die fünf häufigsten sind so, ganz, mega, chli ‘ein bisschen’, uh, an den Beispielsätzen 1–5 illustriert:

1. danke, bisch so lieb! Muah
‘danke, [du] bist so lieb! Muah’
2. mir chönted üs e meega feins esse mache und ganz gmüetlich fernseh luege.. wa seisch???
‘wir könnten uns ein meega feines essen machen und ganz gemütlich fernseh schauen.. was sagst [du]???’
3. aprikosenkuchen mag i ned :-) bin aber trotzdem mega niidisch und än cappuccino würd i jetzt au ne. ich düs ab hei, grüessli renaud
‘aprikosenkuchen mag ich nicht :-) bin aber trotzdem mega neidisch und ein cappuccino würde ich jetzt auch nehmen. Ich düse (ab) nach hause, grüsschen renaud’
4. Wa tänksch du? Dä papi isch drum chli komisch gsi, woni gfröget ha... Vermiße di!
‘Wa(s) denkst du? Der papi isch drum chli (= klein) komisch gewesen, als ich gefragt habe… Vermisse Dich!’
5. Heeii Duuh..! Ich lauf jetzt voooll im Halbschlaaf ufde Zug *knurr* De Mond isch uuh schön und dTatsach, dases hüd Weekend isch, lönd mis Herz höher schlaah.. :)
‘Heeii Duuh..! Ich lauf jetzt voooll im Halbschlaf auf den Zug *knurr* Der Mond ist uuh schön und die Tatsache dass es heute Weekend ist, lässt mein Herz höher schlagen.. :)’

Diese fünf Intensivierer-Ausdrücke weisen zwar eine vergleichsweise hohe Tokenfrequenz auf, ihr Type-Token-Ratio verrät allerdings, dass die Ausdrücke ganz (30,6%) und uh (32,7%) sich mit wenig verschiedenen Adjektiven kombinieren, chli hingegen mit verschiedenen Adjektiven (67,3%). Die Faktoren «Alter» und «Geschlecht» zeigen keinen Effekt auf das Vorkommen eines intensivierenden Ausdrucks.

Literatur

Christen, Helen (2003): Uu fein, welts guet und rüüdig schöön. Überlegungen zu lexikalischen Aspekten eines SchweizerDeutsch der Regionen. In: Beat Dittli et al. (eds.): Gömmer MiGro? Veränderungen und Entwicklungen im heutigen Schweizerdeutschen. Freiburg/Schweiz, 25–38.

Claudi, Ulrike (2006): Intensifiers of adjectives in German. In: Sprachtypologie und Universalienforschung, 59(4), 350–369.

Kirschbaum, Ilja (2002): Metaphorische und metonymische Muster der Adjektiv-Intensivierung. In: Proceedings of Sinn und Bedeutung 6: 201–215.

Ito, Rika & Sali Tagliamonte (2003): Well weird, Right Dodgy, Very Strange, Really Cool: Layering and Recycling in English Intensifiers. In: Language and Society, 32(2), 257–259.

Paradis, Carita (1994) Compromiser – a notional paradigm. In: Hermes. Journal of Linguistics, 13, 157–168.

Stark, Elisabeth, Simone Ueberwasser & Beni Ruef (2009–2015): Swiss SMS Corpus. University of Zurich. URL: www.sms4science.ch [Stand: 30.03.2023].

Stratton, James (2020): Adjective Intensifiers in German. In: Journal of Germanic Linguistics, 32(2), 183–215.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Speech)

Division/Institute:

06 Faculty of Humanities > Department of Linguistics and Literary Studies > Institute of Germanic Languages > German Linguistics
06 Faculty of Humanities > Department of Linguistics and Literary Studies > Institute of Germanic Languages

UniBE Contributor:

Pheiff, Jeffrey Alan

Subjects:

400 Language > 430 German & related languages
800 Literature, rhetoric & criticism > 830 German & related literatures
400 Language > 410 Linguistics

Language:

German

Submitter:

Jeffrey Alan Pheiff

Date Deposited:

14 Nov 2023 12:34

Last Modified:

14 Nov 2023 12:34

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/188858

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