Die Türkei und ihre Politik der ‚strategischen Tiefe‘: Abkehr vom Westen, neuer Osmanismus oder nationale Großmachtphantasie?

Ramm, Christoph (2011). Die Türkei und ihre Politik der ‚strategischen Tiefe‘: Abkehr vom Westen, neuer Osmanismus oder nationale Großmachtphantasie? In: Faath, Sigrid (ed.) Die Zukunft arabisch-türkischer Beziehungen: Nationales Interesse, nicht Religion als Basis der Kooperation. DGAP-Schriften zur Internationalen Politik (pp. 51-63). Baden-Baden: Nomos-Verlag

Full text not available from this repository. (Request a copy)

In Europa und Nordamerika rätseln viele über die Motive und Ausrichtung der ‚neuen’ außenpolitischen Strategie der Türkei, mit der ihr Außenminister Ahmet Davutoğlu den regionalen und internationalen Einfluss des NATO-Mitglieds und EU-Beitrittskandidaten erweitern will. In der türkischen Öffentlichkeit trifft das selbstbewusste Auftreten in den Außenbeziehungen auf viel Zustimmung, dennoch findet auch hier eine kritische Debatte über die Außenpolitik statt.
Plakative Aufschriften wie ‚neo-osmanisch’ oder ‚islamistisch’, mit denen Davutoğlus Politik der ‚strategischen Tiefe’ im In- und Ausland oft versehen wird, gehen jedoch am Kern seines sehr schablonenhaften und kulturalistischen geopolitischen Konzepts vorbei. Der führende außenpolitische Stratege der Türkei wandelt vielmehr auf den Pfaden eines populären türkischen Nationalismus, der sich (im Gegensatz zum kemalistischen Nationalismus) gleichermaßen auf Türkentum, Islam und die osmanische Vergangenheit beruft und sich in seinen nationalen Ambitionen tendenziell von der Welt verkannt fühlt. Davutoğlu modernisiert diese ideologische Basis jedoch hin zur Vision einer türkischen Großmacht, die durch eine konstruktive Politik in der eigenen Nachbarschaft und weltweit Respekt gewinnt und daraus ihren internationalen Einfluss zieht.
Damit wendet sich die Türkei keineswegs vom Westen ab, erweist sich allerdings mit ihrem demonstrativ zur Schau getragenen Machtbewusstsein als schwierigerer Partner als früher. Das Hauptproblem, mit dem die türkische Außenpolitik in Zukunft verstärkt konfrontiert sein dürfte, ist der in Davutoğlus Konzept angelegte Widerspruch zwischen pragmatischer Politik und Großmachtsanspruch. Hier wird sich noch zeigen müssen, wie die Türkei Bündniskooperation, EU-Beitrittswunsch und gute Nachbarschaftsbeziehungen mit dem Traum von nationaler Größe in Einklang bringen will.

Item Type:

Book Section (Book Chapter)

Division/Institute:

06 Faculty of Humanities > Department of Art and Cultural Studies > Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften

UniBE Contributor:

Ramm, Christoph

Subjects:

200 Religion > 290 Other religions
300 Social sciences, sociology & anthropology
300 Social sciences, sociology & anthropology > 320 Political science
900 History
900 History > 940 History of Europe
900 History > 950 History of Asia

Series:

DGAP-Schriften zur Internationalen Politik

Publisher:

Nomos-Verlag

Language:

German

Submitter:

Christoph Ramm

Date Deposited:

21 Feb 2024 08:37

Last Modified:

21 Feb 2024 08:37

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/193074

Actions (login required)

Edit item Edit item
Provide Feedback