Geschlechtsunterschiede in der Inhibition bei Patientinnen und Patienten mit einer Alkoholkonsumstörung

Tschümperlin, Raphaela Martina; Batschelet, Hallie Margareta; Moggi, Franz; Rösner, Susanne; Keller, Anita; Wopfner, Alexander; König, Thomas; Soravia, Leila Maria; Stein, Maria (18 September 2018). Geschlechtsunterschiede in der Inhibition bei Patientinnen und Patienten mit einer Alkoholkonsumstörung (Unpublished). In: Deutscher Suchtkogress 2018. Hamburg, Germany. 17. - 19.09.2018.

[img]
Preview
Slideshow
dtSuchtkongress18_RTschuemperlin.pdf - Presentation
Available under License BORIS Standard License.

Download (534kB) | Preview

Hintergrund
• Aktuelle neurowissenschaftliche Theorien postulieren Inhibitionsdefizite als bedeutenden Faktor in der Entstehung & Aufrechterhaltung einer Alkoholkonsumstörung (AKS) [z.B. 1].
• Präklinische behaviorale Studien weisen darauf hin, dass Defizite in der
kontext-unspezifischen Inhibition bei Frauen stärker ausgeprägt sind [2].
• Neurophysiologische Befunde zeigen Auffälligkeiten in der N2- und P3- Komponente (EEG) bei Patient_innen mit einer AKS [3, 4].
• Nur eine präklinische EEG-Studie untersuchte bisher geschlechtsspezifische
Effekte, wobei keine Unterschiede in den evozierten
Potentialen (EP) beobachtet wurden [5].
• Neurowissenschaftliche Studien zu Geschlechtsunterschieden in (alkohol-spezifischer) Inhibition bei Personen mit einer AKS fehlen.

Methoden
Insgesamt wurden 31 abstinente Patient_innen mit einer AKS, teilnehmend an einer mehrwöchigen stationären Entwöhnung, untersucht. Bei allen wurde während einem Go-NoGo-Task (mit 75/25-Ratio) ein 64-Kanal-EEG abgeleitet.
Dieser Task misst sowohl alkohol-spezifische als auch neutrale Inhibition.
Es wurden 4 EPs pro Versuchsperson berechnet: NoGoAlc, NoGoNeu, GoAlc und GoNeu. Die weiteren Analysen wurden mit Ragu durchgeführt. Nach der Identifikation von Ausreissern (n=1) wurden die Zeitfenster der N2- und P3-
Komponenten mittels Microstate-Analysen definiert: N2a (150-220ms), N2b (220-330ms) und P3 (330-550ms).
Die einzelnen Microstates wurden auf Unterschiede in Topographie und Stärke (GFP, global field power) des Signals untersucht: Zuerst wurde eine 2x2x2 TANOVA (not normalized) mit den Faktoren Gender (männlich, weiblich), Antworttyp (Go, NoGo) und Stimulustyp (alcohol, neutral) berechnet, um allfällige Interaktionen zu eruieren. Weiter wurden GFP-Analysen für dieselben Interaktionen durchgeführt.

Resultate
Frauen und Männer wiesen keine Unterschiede hinsichtlich Alter, Bildungsjahre und Schweregrad der AKS (Anzahl DSM-5-Kriterien / Anzahl Standarddrinks (SD) während der letzten 90 Tage vor dem Entzug) auf.

Die TANOVA mit den Faktoren Gender, Antwort- und Stimulustyp in den
Zeitfenstern N2a, N2b und P3 zeigte:
• keine signifikante Interaktionen in N2a und N2b.
• eine signifikante Gender x Stimulustyp-Interaktion in der P3 (p=0.01):
Frauen weisen im Vergleich zu Männern eine ausgeprägtere frontoparietale
Positivität auf, darüber hinaus unterscheidet sich bei Frauen die Topographie der P3 zwischen den Stimulustypen (p=0.02; siehe Abb. 2). Bei Männern zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen alkoholischen und neutralen Stimuli (p=0.44).
Die GFP-Analysen mit identischen Faktoren & Zeitfenstern zeigten:
• keine signifikanten Interaktionen in der N2a und P3.
• einen Trend einer signifikanten 3-fachen Interaktion (p=0.06) in der N2b:
Frauen zeigen allgemein eine höhere NoGo-GFP als Männer. Genauer weisen Frauen eine höhere GFP in den neutralen als in den alkoholbezogenen NoGos auf, während sich bei Männern kein solcher Unterschied zeigt (siehe Abb. 3).

Diskussion
Erstmals wurden neurophysiologische Geschlechtseffekte von kontextspezifischer) Inhibition bei Patient_innen mit einer AKS untersucht. Vorläufige GFP-Analysen weisen auf einen Trend für die 3-fache Interaktion
(Gender, Antwort- und Stimulustyp) in der späten N2 hin: Frauen haben eine höhere N2b bei NoGos, wobei dies bei neutralen NoGos stärker ausgeprägt ist. Die N2 steht für die Überwachung des Antwortkonflikts [6], entsprechend könnten Frauen zu einem höheren Konflikt in der Inhibition neutraler Stimuli tendieren. Übereinstimmend mit behavioralen Ergebnissen [2, 5] könnte die Inhibition also für Frauen mit AKS schwieriger sein als für Männer. Im Zeitfenster der P3 variierte das EP der Frauen zwischen alkoholspezifischen
und neutralen Stimuli, während sich bei Männern kein entsprechender Unterschied fand.
Weitere Analysen sind nötig, um die zugrundeliegenden Prozesse der Inhibition zu elaborieren. Für ein besseres Verständnis ist der Vergleich der (gesamten) Patientenstichprobe mit den Daten der gesunden Kontrollgruppe, der Einbezug eines weiteren Inhibition-Tasks (SST) und die Analyse der Errors of commissions (EOC) indiziert.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Poster)

Division/Institute:

04 Faculty of Medicine > University Psychiatric Services > University Hospital of Psychiatry and Psychotherapy > Translational Research Center
07 Faculty of Human Sciences > Institute of Psychology > Clinical Psychology and Psychotherapy

Graduate School:

Graduate School for Health Sciences (GHS)

UniBE Contributor:

Tschümperlin, Raphaela Martina, Batschelet, Hallie Margareta, Moggi, Franz (A), Wopfner, Alexander, König, Thomas, Soravia, Leila, Stein, Maria

Subjects:

100 Philosophy > 150 Psychology
600 Technology > 610 Medicine & health

Language:

German

Submitter:

Raphaela Martina Tschümperlin

Date Deposited:

29 Nov 2018 16:16

Last Modified:

29 Mar 2023 23:36

BORIS DOI:

10.7892/boris.121552

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/121552

Actions (login required)

Edit item Edit item
Provide Feedback