Editorial. Glückswissen – Paradoxien des Glücks

Germann, Pascal; Sommer, Marianne; Tanner, Jakob (2022). Editorial. Glückswissen – Paradoxien des Glücks. Historische Anthropologie, 30(1), pp. 131-141. Böhlau

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Seit den 1980er Jahren boomt das Glück.1 Die „Positive Psychologie“ beflügelte damals die Erwartungen an die Forschung. Seither jagen sich die wissenschaftlichen Publikationen zum Thema; wer heute auf JSTOR nach „happiness“ sucht, erhält gegen 300.000 Resultate. Parallel dazu wird Glück als lukratives Produkt kommerzialisiert. Der Glücksmarkt expandiert. Allein amazon.com bietet rund 100.000 Artikel dazu: von Fachliteratur, Lifestyle-Ratgebern, religiösen und esoterischen Werken über Talismane, Elixiere und Tabletten sowie Musik bis hin zu Schlüsselanhängern und Dekorationsartikeln. Glück wird in Werbekampagnen instrumentalisiert, in Romanen und Filmen ausgelotet und in Magazinen, Vorträgen, in Radio und Fernsehen wie auch in Ausstellungen in Museen verhandelt.2 Menschen teilen ihr Glück auf Social Media mit Fotos, Hashtags oder privaten Videos.
Der happiness turn, wie ihn Sara Ahmed3 apostrophiert hat, vermochte die Frage, was Glück sei, nicht zu klären.4 Nichtsdestotrotz machte sich sein Momentum über Forschung, Märkte und populäre Kulturen hinaus auch in der Forderung bemerkbar, die Politik sei an der Zielvariable Glück auszurichten. Über den Erfolg politischer Maßnahmen gibt ein Gross National Happiness Index Auskunft, der den bisher maßgeblichen wirtschaftlichen Wertschöpfungsindex, das Gross Domestic Product (GDP), ablösen soll. Je mehr die Vermessung eines glücklichen Lebens eine wissenschaftliche Ambition darstellt, umso schillernder wird Glück als Topos medialer Nachrichtenproduktion. Getrieben durch medientechnische Entwicklungen zirkuliert Glückswissen zwischen Politik, Populärkulturen und Forschungseinrichtungen. Die Popularisierung wissenschaftlicher Befunde, die Verwissenschaftlichung des persönlichen Erlebens und die Ausrichtung wissenschaftlicher Fachdisziplinen an populären Kulturen des Glücks stimulieren sich wechselseitig. 2006 stellte der Soziologe Gerhard Schulze in einer Überblicksdarstellung fest: „Noch nie hat es eine so breite Diskussion über das Glück gegeben wie in den letzten Jahrzehnten, und immer noch nimmt die Intensität dieser Diskussion in den Massenmedien und in den lltagsgesprächen zu“.5

Item Type:

Journal Article (Further Contribution)

Division/Institute:

04 Faculty of Medicine > Pre-clinic Human Medicine > Institute for the History of Medicine

UniBE Contributor:

Germann, Pascal

Subjects:

600 Technology > 610 Medicine & health

ISSN:

2194-4032

Publisher:

Böhlau

Language:

German

Submitter:

Barbara Franziska Järmann-Bangerter

Date Deposited:

30 Mar 2023 10:09

Last Modified:

30 Mar 2023 10:09

BORIS DOI:

10.48350/180976

URI:

https://boris.unibe.ch/id/eprint/180976

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