Heitz, Caroline (2023). Wider die Krise? Archäologie nach der Postmoderne. In: Renger, Martin; Schreiber, Stefan; Veling, Alexander (eds.) Theorie | Archäologie | Reflexion 1: Kontroversen und Ansätze im deutschsprachigen Diskurs. Theoriedenken in der Archäologie: Vol. 1 (pp. 167-218). Heidelberg: Propylaeum 10.11588/propylaeum.1092.c16196
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Unlängst wurde die Frage aufgeworfen, ob die Archäologie in eine epistemologische Krise geraten sei. Ein neuer Realismus würde die idealistische Haltung der postprozessualen Archäologie herausfordern. Versteht man eine Krise als schwierige Lage oder Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer bedrohlich erscheinenden Entwicklung darstellt, so wird deutlich, dass deren Diagnostizierung standpunktabhängig und daher stets strittig bleiben muss. Konsensfähiger ist die Beobachtung, dass sich die Archäologie in einer Phase tiefgreifender Transformationen befindet. In diesem Essay gehe ich der Frage nach, ob diese zu einem epistemologischen Paradigmenwechsel führen könnten, der die Archäologie über den Postprozessualismus der Postmoderne hinausführt. Die Archäologie – verstanden als ein dynamisches, über unterschiedliche Sprach-, Erkenntnis- und Wissensformen hinausreichendes materiell-diskursives Geflecht sozialer Praktiken – kann meiner Meinung nach nicht losgelöst von gesellschaftlichen Prozessen betrachtet werden. Eine breitere Perspektive einnehmend, scheint die postmoderne Strömung insgesamt an Zugkraft zu verlieren. Wiederkehrende bewaffnete Konflikte, Finanz- und Flüchtlingskrisen, die SARS-CoV-2 Pandemie, Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (AI) oder das Internet der Dinge mit seinen Technologien zur Verbindung von physischen und virtuellen Erfahrungsbereichen führen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Realen. Diese gesamtgesellschaftlichen Prozesse könnten als epochaler Umbruch verstanden werden: Von der Post- zur Metamoderne. Letztere kennzeichnet das Oszillieren zwischen Idealismus und Materialismus, Rea-
lismus und Konstruktivismus und damit Modernismus und Postmodernismus. Vergleichbare Tendenzen sind auch in der Archäologie erkennbar: der Science Turn, Digital Turn und Big Data beschreiben die zunehmende Relevanz naturwissenschaftlicher Methoden, der Digitalisierung und Quantifizierung.
Außerdem führen neue philosophische, geistes- und sozialwissenschaftliche Perspektiven wie der Material Turn (Neuer Materialismus) und der Ontological Turn (Neuer Realismus) die Archäologie von anthropozentrischen, idealistischen Haltungen weg. Gleichzeitig bleiben postmoderne Erkenntnisse
zur Subjektivität, Situativität, Kontextualität und Historizität in der Wissenskonstruktion bedeutsam. Wie könnte eine metamoderne Archäologie mit diesen unterschiedlichen Haltungen umgehen, ohne sich in Widersprüchen zu verfangen? Wie ich aufzeigen möchte, müssten keine völlig neuen Denkgebäude ausgearbeitet werden, da Archäolog*innen auf bisher wenig beachtete Dritt-Weg-Epistemologien zurückgreifen könnten.
Item Type: |
Book Section (Book Chapter) |
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Division/Institute: |
06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of Archaeological Sciences 10 Strategic Research Centers > Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR) 06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of Archaeological Sciences > Pre- and Early History |
UniBE Contributor: |
Heitz, Caroline Franziska |
Subjects: |
900 History > 930 History of ancient world (to ca. 499) |
Series: |
Theoriedenken in der Archäologie |
Publisher: |
Propylaeum |
Funders: |
[4] Swiss National Science Foundation |
Language: |
German |
Submitter: |
Caroline Franziska Heitz |
Date Deposited: |
19 Oct 2023 14:21 |
Last Modified: |
19 Oct 2023 14:29 |
Publisher DOI: |
10.11588/propylaeum.1092.c16196 |
Uncontrolled Keywords: |
Epistemologie; Ontologie; Moderne; Postmoderne; Metamoderne; Digital Turn; Science Turn; Material Turn; Ontological Turn |
BORIS DOI: |
10.48350/187306 |
URI: |
https://boris.unibe.ch/id/eprint/187306 |