Ittner, Doris; Hascher, Tina (15 March 2017). „Die Lehrplaneinführung ist gut organisiert.“ – Der Zusammenhang zwischen bedürfnisgerechter Innovationsgovernance, den Emotionen von Schulleistungspersonen und deren Schulentwicklungsbereischaft (Unpublished). In: 5. Tagung der Gesellschaft für empirische Bildungsforschung (GEBF) - "Durch Bildung gesellschaftliche Herausforderungen meistern". Heidelberg, Deutschland. 12.-15.03.2017.
Kontext und theoretischer Hintergrund
Die erfolgreiche Implementierung von Innovationen hängt von der Motivation der Betroffenen, ihre Arbeitspraxis zu verändern, ab (Holt & Vardaman, 2013). Diese wird von den Voraussetzungen der Personen selbst, ihrer Bewertung der Innovation und den organisationalen Rahmenbedingungen der Einzelschule sowie des Implementierungsprozesses (Innovationsgovernance) beeinflusst (Hall & Hord, 2015). Schulleitungspersonen sind wichtige Change Facilitators (ebd.). Sie befinden sich als Intermediäre zwischen Bildungsbehörden und den Mitgliedern der eigenen Schule in einem „Spannungsfeld institutionaler, organisationaler und individueller Kräfte“ (Warwas, 2012, S. 13). Das heißt, wenn Schulleitungspersonen Innovationen, wie etwa einen neuen Lehrplan, implementieren, können vielfältige Emotionen bei den auf unterschiedlichen Ebenen des Schulsystems agierenden Personen auftreten, denn Emotionen sind im Schulalltag omnipräsent (Linnenbrink-Garcia & Pekrun, 2014) und daher auch für Schulleitungspersonen im Schulentwicklungskontext bedeutsam.
Obwohl Schulleitungspersonen aus der Perspektive der Educational Governance zentral für erfolgreiche Schulentwicklung sind (Altrichter & Wiesinger, 2005; Wissinger, 2014), liegen relativ wenige empirisch fundierte Kenntnisse darüber vor, welche Faktoren die Emotionen von Schulleitungspersonen im Reformkontext determinieren und welche Rolle sie insbesondere für die Schulentwicklungsbereitschaft dieser Akteursgruppe spielen (Berkovich & Eyal, 2015). Hier setzt die vorliegende Studie an.
Wie Schulleitungspersonen schulische Innovationen erleben und wie ihre Emotionen mit deren Schulentwicklungshandeln zusammenhängen, wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Gemäß dem appraisaltheoretischen Ansatz zur Emotionsentstehung (Lazarus, 1991) treten in Abhängigkeit davon, wie die verschiedenen Komponenten des Schulentwicklungsprozesses wahrgenommen werden, verschiedene Emotionen auf. Ausgehend von einer organisationspsychologischen Konzeption der Veränderungsbereitschaft (Rafferty, Jimmieson, & Armenakis, 2013) als Kernkonzept der Schulentwicklungsbereitschaft, denken wir, dass Emotionen den Zusammenhang zwischen den innovationsrelevanten personalen und organisationalen Prädiktorvariablen und der Veränderungsbereitschaft bezüglich der Lehrplaneinführung als Zielvariable vermitteln.
Fragestellung
Die vorliegende Studie untersucht im Kontext der Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern den Zusammenhang zwischen der Bewertung des neuen Lehrplans als Schul- und Unterrichtsentwicklungsinstrument, der Wahrnehmung von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Lehrplaneinführung, den berufsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, den innovationsbezogenen Emotionen sowie der Schulentwicklungsbereitschaft der Schulleitenden. Ausgehend von der Selbstbestimmungstheorie nehmen wir an, dass die Wahrnehmung autonomiegewährender Steuerungsmomente bei der Lehrplaneinführung das Erleben positiver Emotionen fördert und die Veränderungsbereitschaft der Schulleitenden erhöht. Folgende Fragen stehen im Zentrum unseres Beitrags:
a.) Welche Emotionen erleben Schulleitungspersonen im Kontext der Lehrplaneinführung?
b.) Wie hängen individuelle und organisationalen Faktoren mit innovationsbezogenen Emotionen zusammen?
c.) Wie hängen die erlebten Emotionen der Schulleitungspersonen mit deren Veränderungsbereitschaft bezüglich der Lehrplaneinführung zusammen?
Methode
Die Datengrundlage bildet eine schriftliche Befragung der Schulleitungen der Primar- und Sekundarschulen im Kanton Bern (n = 300) im Jahr 2016. Der Fragebogen wurde basierend auf einer qualitativen Vorstudie entwickelt und mit Unterstützung der kantonalen Schulaufsicht eingesetzt. Als individueller Faktor wurden die berufsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Schulleitungen mit einer ins Deutsche übersetzten und um die Subdimension „Schulentwicklung“ erweiterten Version der Norwegian Principal Self-Efficacy Scale (NPSES) nach Federici und Skaalvik (2011)) gemessen. Die Wahrnehmung der Innovationsgovernance bei der Lehrplaneinführung wurde mittels einer adaptierten Skala zur Messung von Ressourcen aus der Unternehmungskultur in Veränderungen gemessen (Sonntag & Spellenberg, 2005). Die emotionale Gestimmtheit im Zusammenhang mit der Lehrplaneinführung wurde mit einer deutschen Version der PANAS Scale (Janke & Glöckner-Rist, 2012) , die Emotionen Freude, Ärger und Angst mit dem AEQ-Teachers nach Frenzel, Pekrun und Goetz (2010) erfasst. Die Messung der Schulentwicklungsbereitschaft erfolgte mit Items aus Skalen zum Engagement für Schulentwicklung (Kunz Heim, Sandmeier, & Krause, 2014) sowie zur Einstellung gegenüber Veränderungsprozessen in der Schule (Schumacher, 2015).
Ergebnisse
Die Auswertung der Daten erfolgt durch die Analyse von Valenz, Häufigkeit und Intensität der Emotionen. Die Ergebnisse zeigen die Relevanz von Emotionen im Schulentwicklungsprozess und verweisen auf die wichtige Bedeutung organisationaler Rahmenbedingungen von Veränderungsprozessen. Zur Diskussion der Ergebnisse werden die Diskurslinien schulischer Governanceforschung mit dem Ansatz der organisationsbezogenen Emotionsforschung zusammengeführt. Daraus lassen sich Implikationen für die Schulentwicklungspraxis ableiten.
Item Type: |
Conference or Workshop Item (Speech) |
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Division/Institute: |
07 Faculty of Human Sciences > Institute of Education > School and Teaching Research |
UniBE Contributor: |
Ittner, Doris Magdalena, Hascher, Tina |
Subjects: |
300 Social sciences, sociology & anthropology > 370 Education |
Language: |
German |
Submitter: |
Michèle Karin Affentranger |
Date Deposited: |
12 Mar 2018 17:14 |
Last Modified: |
21 Aug 2024 09:47 |
URI: |
https://boris.unibe.ch/id/eprint/107797 |