Büchler, Andrin; Pheiff, Jeffrey Alan (12 February 2024). An der Schnittstelle zwischen Lexik und Pragmatik: Asymmetrien im Gebrauch der Intensivierung bei L1- und L2-Sprechenden des Deutschen mit Rätoromanisch als Erstsprache. (Unpublished). In: Asymmetries and Inequalities in Language VALS-ASLA Conference 2024. Universität Bern. 12.–13.02.2024.
Ziel dieses Beitrags ist es, die lexikalisch-syntaktische Intensivierung von Adjektiven im Schweizerdeutschen zweier Gruppen von Rätoromanischsprechenden zu untersuchen: eine Gruppe mit L1 Rätoromanisch und Deutsch (d. h. bilingualer Spracherwerb) sowie eine Gruppe mit L1 Rätoromanisch und L2 (Schweizer)Deutsch. Die Intensivierung betrifft „das semantisch-funktionale Phänomen der Gradspezifikation“ (Kirchbaum 2002: 201), wobei Intensivierer Ausdrücke darstellen „that scale upwards on an imaginary scale of intensity such as very and terribly, and words that scale downwards, such as slightly and a bit“ (Paradis 1994: 157–158).
Die Erforschung von Intensivierer-Ausdrücken in L2-Varietäten (ausser Englisch) gilt insofern als vielversprechend, als L2-Sprechende über weniger Wissen von Kollokationen hinsichtlich Intensifier-Ausdrücke verfügen als L1-Sprechende, d. h., dass sich L2-Sprechende in ihrem Gebrauch von der L1-„Norm“ unterscheiden (vgl. Czerwionka & Olson 2020). Bislang nicht untersucht sind L2-Sprechende im ungesteuerten Erwerbsprozess in einer soziolinguistischen Konstellation, in der sie im Alltag intensiven Kontakt mit der L2 haben und diese Sprache nahezu auf L1-Niveau beherrschen. Ausserdem gilt die Erforschung der syntaktischen Intensivierung von Adjektiven insbesondere in den Dialekten des Deutschen im Gegensatz zur anglistisch orientierten Variationslinguistik (z. B. Ito & Tagliamonte 2003) als „underexplored“ (Stratton 2020: 183). Wir liefern mit dieser Studie einen Beitrag zur Frage, in welcher Hinsicht L2-Sprechende soziolinguistische Kompetenz im ungesteuerten Erwerbsprozess herausbilden können (vgl. Ender 2022).
Ausgewertet wird ein aus 40 unstrukturierten Interviews, 149.000 Token zählendes Korpus „Korpus Büchler“, das 2020–2021 zur Analyse des Sprachverhaltens von in Bern wohnenden Rätoroman:innen aus Graubünden erhoben wurde. Auf Grundlage eines von Pheiff (2023) ermittelten Samples wurden 53 Intensifier-Ausdrücke frequenziell ermittelt und im Hinblick auf die zwei genannten Gruppen verglichen. Insgesamt wurden 7950 Belege gefunden, wovon 2126 auf die L1-Gruppe entfallen. Folgender Fragestellung wird im Beitrag nachgegangen:
– Welche Unterschiede zeigen die zwei untersuchten Gruppen hinsichtlich der Frequenz und Distribution in Bezug auf die lexikalische Diversität der Adjektive, Kollokationen und syntaktische Distribution von Intensifier-Ausdrücken?
Erste Ergebnisse zeigen, dass die L2-Gruppe zwar eine grössere Diversität an verschiedenen Intensifier-Audrücken aufweist (L2: 41 vs. L1: 33), die Frequenz dieser Ausdrücke im Gespräch aber insgesamt etwas tiefer als bei der L1-Gruppe ist. Die Gebrauchsfrequenzen der einzelnen Intensifier-Ausdrücke unterschieden sich zum Teil deutlich zwischen den Gruppen. So zeigt sich beispielsweise, dass voll nur bei der L1-Gruppe zu den zehn tokenfrequentesten Ausdrücken gehört oder dass mega bei der L1-Gruppe deutlich frequenter verwendet wird als bei der L2-Gruppe. Interessanterweise lässt sich darüber hinaus hinsichtlich der zwei synonymen Ausdrücke chlii und bitz für die L1-Gruppe keine Präferenz feststellen, während die L2-Gruppe chlii häufiger verwendet als bitz.